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Berlin: Grüne stärker als die SPD

Sozialdemokraten rutschen bei der Europawahl unter 20 Prozent, die CDU liegt trotz Verlusten vorn Ökopartei legt zehn Prozentpunkte zu. Wahlbeteiligung war noch niedriger als vor fünf Jahren.

Vorläufiges amtliches Endergebnis

Quelle: Statistisches Landesamt

(BTW): Erzielte Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2002

( - ): Partei ist 2002 nicht angetreten

Als strahlende Sieger gehen die Berliner Grünen aus der Europawahl hervor. Mit 22,7 Prozent der Stimmen hat die Partei nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis in Berlin zehn Prozentpunkte mehr Stimmen gewonnen als bei den Europawahlen vor fünf Jahren. Vernichtend dagegen ist das Ergebnis für die SPD: Die Sozialdemokraten erhielten nur 19,2 Prozent – über sieben Prozentpunkte weniger als 1999. Auch die CDU büßte mit 26,4 Prozent mehr als neun Prozentpunkte ein (1999: 35,9 Prozent), ist aber dennoch stärkste Kraft in Berlin, gefolgt von den Grünen. Die PDS kam auf 14,4 Prozent der Stimmen, rund zwei Prozentpunkte weniger als 1999. Die FDP erzielte 5,3 Prozent (1999: 2, 4 Prozent). Mit Ausnahme des ohnehin chancenlos gewesenen FDP-Kandidaten Stefan Beißwenger haben alle Spitzenkandidaten ihr EU-Ticket erhalten: Dagmar Roth-Behrendt (SPD), Ingo Schmitt (CDU), Sylvia-Yvonne Kaufmann (PDS) und Michael Cramer (Grüne). Die Wahlbeteiligung lag bei 38,8 Prozent und damit noch niedriger als 1999 (39,9 Prozent).

Dass mit diesem vernichtenden Wahlergebnis die rot-rote Koalition in Berlin abgestraft wurde, will man innerhalb der SPD nur ungern wahrhaben. Auch Sympathieträger Klaus Wowereit – zwischen den beiden SPD-Kandidatinnen auf dem Wahlplakaten – hat nichts gegen den Frust und Unzufriedenheit vieler Berliner über höhere Kita-Gebühren, Zuzahlungen für Lernmittel, gestiegene Wasserpreise oder Einsparungen im Sozialbereich wie die BVG-Sozialkarte ausrichten können. Der viel geschworene „Mentalitätswechsel“ für den Konsolidierungskurs ist beim Wähler offenbar nicht angekommen. Diese schallende Ohrfeige der Wähler scheint nicht weh zu tun: Wowereit hat die „deutliche Niederlage“ seiner Partei zwar bedauert. Das schlechte Abschneiden werde jedoch „keine Auswirkungen“ auf die Sparpolitik des rot-roten Senats in Berlin haben. Zu „sozial ausgewogenen Reformen“ gebe es keine Alternative. „Wir halten Kurs“, sagte Wowereit. SPD-Landesvize Andreas Matthae nennt das Ergebnis „bitter“ und spricht von einer „Denkzettel-Wahl“. Die Berliner SPD bewege sich durchaus im Bundestrend und spüre wie andere Länder auch die fehlende Akzeptanz für die Reformpolitik der Bundesregierung.

Warum aber ausgerichtet die Berliner Grünen nicht unter der rot-grünen Bundespolitik gelitten haben, begründen SPD-Mitglieder mit der grünen Oppositionspolitik in Berlin. „Die Grünen profitieren davon, dass sie keine Regierungsverantwortung haben“, sagte auch PDS–Landeschef Stefan Liebich. Immerhin bereitet dem PDS-Politiker die „Umverteilung im linken Lager“ zugunsten der Grünen Sorge. „Das ist ein Signal an die SPD, das Soziale nicht zu vernachlässigen“, sagte Liebich. Dass die mitregierenden PDS wiederum nicht mit in den Strudel nach unten geriet, habe Liebich zufolge damit zu tun, dass die Sozialisten in der Stadt als „soziales Gewissen“ wahrgenommen werden. Liebich sieht aber keinen Grund, den Regierungskurs aufzugeben. Über das PDS-Ergebnis ist Liebich „zufrieden“. Da die PDS bundesweit über fünf Prozent gekommen ist und wieder ins Europa-Parlament einzieht, werde das auch die Position der Partei in der Koalition stärken.

Bei der Berliner CDU hat man nach dem Ergebnis von 26 Prozent „keine Freudentränen“ geweint, sagte CDU-Landeschef Joachim Zeller. Er führt das Ergebnis auch auf die geringe Wahlbeteiligung und das „Protestverhalten“ vieler Wähler zurück. Die Devise heißt jetzt: „Wir müssen die Programmatik ausbauen und uns als Alternative zur SPD anbieten“, sagte Zeller. Die CDU setzt auf „Akzeptanz in der Bürgerschaft“. In Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg wird es die Union aber auch künftig schwer haben: Nur rund elf Prozent erhielt sie dort. Auch ihr Stimmanteil im Osten ist mit rund 14 Prozent mager.

Die Berliner Grünen wurden zweitstärkste Kraft und überholten selbst im Westteil mit 25 Prozent die SPD (20 Prozent). Dass seine Partei ein so gutes Ergebnis erzielt habe, liegt laut Grünen-Landeschef Till Heyer-Stuffer vor allem an dem bekannten Spitzenkandidaten Cramer. „Wir sind auch die einzigen, die einen Europa- Wahlkampf geführt haben“, sagte Heyer-Stuffer weiter. Für Aussagen, wie es in Berlin weiter gehen werde, sei es noch viel zu früh, doch ist sich Heyer-Stuffer sicher, dass es „ohne uns keine nächste Landesregierung geben wird“. Zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei ist auch der FDP-Landesvorsitzende Markus Löning. Gegenüber 1999 hätten die Liberalen ihr Ergebnis verdoppelt. Das zeige, dass sich die FDP konsolidiert habe.

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