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Für Renate Künast lief es am Freitagabend eigentlich bestens. Sie bekam Blumen und Standing Ovations von den Versammelten.

© dapd

Grüne wollen mitregieren: Sticheleien gegen den Wunschpartner

Trotz der Differenzen mit der SPD dominierte auf dem Parteitag der Grünen der Wille zur Macht.

Von Sabine Beikler

Jeder grüne Delegierte musste durch das Spalier aus Gegnern der Autobahn A 100, Gewerkschaftern und Mitgliedern von Energieinitiativen. Schon eine Stunde vor der Grünen-Delegiertenkonferenz versammelten sich am Freitagnachmittag vor dem Eingang der Universität der Künste in der Bundesallee rund 40 Aktivisten und Privatleute wie die Wissenschaftlerin Antje Bischoff, die mit zwei Kindern in Friedrichshain wohnt. „Ich bin gegen den Unsinn, die A 100 weiterzubauen“, sagte sie. Sie hielt ein Schild hoch mit der Aufschrift „Rote Karte für grüne Umfaller“. Sie findet, die Grünen hätten in den Sondierungen „härter sein müssen“. Mit der Meinung war sie nicht die einzige vor der Tür.

Drinnen, im Joseph-Joachim-Konzertsaal, war die Stimmung dagegen alles andere als rebellisch. Die heftigen Diskussionen über den Kompromiss fanden in den letzten Tagen in den Kreisverbänden statt. Und kurz vor Beginn des Parteitags entschärfte die Antragskommission zwei Änderungspapiere durch eine elegante Zusammenführung der beiden Anträge.

Parteichef Daniel Wesener sprach von einer „angenehmen, konstruktiven und fairen Gesprächsatmosphäre“ in den Sondierungen mit der SPD. Er machte auch unmissverständlich klar, dass die Grünen keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen werden, der den Weiterbau der A 100 festschreibt. „Es geht um die Glaubwürdigkeit.“ Man sei ein „Partner auf Augenhöhe“, sagte Parteichefin Bettina Jarasch.

Beide kritisierten den Umgang der SPD mit dem Kompromiss. Die SPD versuche im Nachhinein etwas hineinzuinterpretieren, was nicht verabredet war. Die Debatte dürfe nicht „ideologisch“ geführt werden, sagte Renate Künast.

Ein paar Spitzen in Richtung SPD konnten sich die Delegierten nicht verkneifen. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Es war das Wort „Selbstbewusstsein“, das mehrfach in den Wortbeiträgen vorkam. Und mit Sticheleien gegen die SPD, den potenziellen Koalitionspartner, geizten die Delegierten nicht. Wowereit wolle die Grünen beim Thema A 100 und dem ausgehandelten Kompromiss in die Falle locken, „den Triumph gönne ich ihm aber nicht“, sagte die Vorsitzende der Grünen Jugend, Madelein Richter.

Die grüne Stadträtin Sibyll Klotz sprach sich „ohne Wenn und Aber“ für Koalitionsgespräche aus. Allerdings müsse auf Augenhöhe diskutiert werden, aber nicht nach „sozialdemokratischer Interpretation: Der eine kniet, der andere sitzt“. Grünen-Politiker Oliver Schruoffeneger sprach von einem „gesichtswahrenden Kompromiss“ bei der A 100. Es gebe nichts nachzuverhandeln. Die SPD dagegen leide unter Phantomschmerzen, weil ihnen der frühere Partner, die Linke, fehle, die man „klein machen“ konnte. Man müsse mit der SPD „therapeutisch“ umgehen und „etwas gnädig“ sein.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann unterstrich erneut den Kompromiss bei der A 100, mit dem man in die Koalitionsverhandlungen gehen werde. Er wettete auf sein halbes Monatsgehalt, dass „diese A 100 nicht kommen wird“. Und er sei guter Hoffnung, auch die SPD noch davon zu überzeugen.

Auf dem Parteitag herrschte der Wille des Mitregierens vor. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit verabschiedet, in dem die Positionen von SPD und Grüne zur A 100 noch einmal dargestellt werden. Man werde sich aber beim Bund dafür einsetzen, um die Mittel statt für Autobahnbau für Lärmschutz umzuwidmen.

Franz Schulz, der grüne Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, war einer der wenigen, der den Kompromiss vor dem Parteitag offen kritisierte. Auch nach dem Parteitag überzeugt ihn der Kompromiss nicht. „Die Frage ist, was wird passieren, wenn die Umwidmung scheitert.“ Auf diese Antwort warte er noch.

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