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Berlin: Grünen-Politikerin kämpft gegen Stasi-Vorwurf

Frühere Abgeordnete soll als IM die AL in West-Berlin bespitzelt haben Die heutige Frauenbeauftragte im Rathaus Schöneberg bestreitet alles

Ihre Betreuer bei der Staatssicherheit beschrieben sie in den Akten als verlässliche Quelle. Mindestens zwölf Berichte aus dem Innenleben der West-Berliner Politik soll die Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) mit dem Decknamen „Fluß“ in den Jahren 1986/87 dem DDR-Geheimdienst geliefert haben. Dahinter soll sich laut Stasi-Akten die Berliner Grünen-Politikerin Dagmar Birkelbach verborgen haben. So ist es zumindest in den Stasi-Unterlagen festgehalten, die Ende der 90er Jahre entschlüsselt und jetzt von der Bundesbeauftragten für die Dokumente, Marianne Birthler, zugänglich gemacht wurden.

Birkelbach weist die Darstellung zurück. Die einstige Abgeordnetenhaus-Politikerin, die heute Frauenbeauftragte im Rathaus Schöneberg ist, spricht von „Verleumdung“ und kündigt rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung der Informationen an. Sie habe sich nie als Stasi-IM verpflichtet, sagt die 55-Jährige dem Tagesspiegel. Gefragt, wieso denn ihr Name in den Akten stehe, sagt sie: Es sei möglich, dass Berichte von ihr unwissentlich an die Stasi weitergegeben wurden. „Gespitzelt“ habe sie nie. Das könne niemand besser wissen als sie selbst.

Laut Akten, deren Bewertung unter Juristen umstritten ist, soll Frau Birkelbach am 3. Januar 1986 als Stasi-Mitarbeiterin registriert worden sein und laut Unterlagen Berichte über Interna der Alternativen Liste (AL), der Grünen-Vorgängerpartei, geliefert haben, für die Birkelbach von 1985 bis 1987 sowie von 1989 bis 1991 im Abgeordnetenhaus saß.

Die Mitarbeiterin mit dem Decknamen „Fluß“ lieferte dem DDR-Geheimdienst laut Akten Einschätzungen zu aktuellen Themen, darunter der Tschernobyl-Unfall im Mai 1986, die Debatte um den Status West-Berlins oder der Honecker Besuch von 1987. Die Berichte, die laut Akten an sowjetische Stellen weitergegeben wurden, umfassten zwischen einer und 13 Seiten. Die Einschätzung der Stasi über ihre Zuträgerin lautete stets „zuverlässig“ oder „vertrauenswürdig“.

Birkelbach, die in den späten 80er Jahren unter anderem den Parlamentsausschuss für Frauenfragen leitete und im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses saß, sieht sich hingegen nicht als Spitzel, sondern als „Geschädigte“ einer falschen Unterstellung, wie sie sagt.

Birkelbachs Vorgesetzter, Bezirksbürgermeister Ekkehard Band (SPD),wollte sich noch nicht zu dem Vorgang äußern, da ihm die Stasi-Akten bislang nicht vorliegen. Die Grünen forderten ihre Parteifreundin auf, die Vorwürfe zu entkräften, wenn sie so falsch seien, wie Birkelbach behauptet. „Sollte sich allerdings herausstellen, dass Dagmar Birkelbach Personen denunziert hat, werden wir ihren Rücktritt fordern“, sagt Ulrich Hauschild, Vorstandsvorsitzender der Tempelhof-Schöneberger Grünen. Das sieht auch Jörn Oltmann so, Fraktionschef der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung. Sibyll Klotz, lange Grünen-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus und seit kurzem Sozialstadträtin in Tempelhof-Schöneberg, fordert ihre Parteifreundin auf, „reinen Tisch“ zu machen. Allerdings beharre auch sie bis zum Beweis des Gegenteils auf der Unschuldsvermutung.

Politisch zählte Dagmar Birkelbach in den 80er Jahren in der Alternativen Liste zu dem Flügel, dessen Vertreter sich für eine Annäherung an die DDR aussprachen und deutschlandpolitisch den Kurs Ost-Berlins guthießen. In Zeitungsberichten von 1989 wird sie mit der Aussage zitiert, dass es „falsch“ sei, die Zusammenarbeit des Westens mit der DDR-Führung von innenpolitischen Reformen im SED-Staat abhängig zu machen. Einen Besuch von Birkelbach und anderen DDR- freundlichen AL-Politikern im Osten kommentierte die taz damals mit der Überschrift: „AL hofiert SED.“ Eine Wortführerin dieser Gruppe war Birkelbach allerdings nie, erinnert sich der langjährige Grünen-Chef und heutige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland. Das sei in jener Zeit vielmehr Dirk Schneider gewesen, lange Jahre AL-Sprecher und für die Grünen im Bundestag. Schneider, der vor fünf Jahren 62-jährig starb, war 1991 als Stasi-Mitarbeiter enttarnt worden.

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