zum Hauptinhalt

Berlin: Grünen verloren seit dem 11. September über 70 Mitglieder

Die Berliner Grünen wissen nicht so recht, was sie ihren Kollegen auf Bundesebene bei der heutigen Abstimmung über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan raten sollen. Einige haben ihren Parteifreunden auf Bundesebene gesagt, sie seien froh, nicht selbst vor dieser Gewissensfrage zu stehen.

Von Sabine Beikler

Die Berliner Grünen wissen nicht so recht, was sie ihren Kollegen auf Bundesebene bei der heutigen Abstimmung über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan raten sollen. Einige haben ihren Parteifreunden auf Bundesebene gesagt, sie seien froh, nicht selbst vor dieser Gewissensfrage zu stehen. Und sie hätten sowohl für eine Zustimmung als auch für eine Ablehnung Verständnis. Dass Bundeskanzler Schröder die Vertrauensfrage an der Abstimmung über den Bundeswehreinsatz gekoppelt hat, halten dagegen die meisten Berliner Grünen für undemokratisch und erpresserisch.

Die Abwägung zwischen dem Fortbestand einer rot-grünen Bundesregierung und der Entsendung von Soldaten war seit 11. September 71 Parteimitgliedern in Berlin schon zu viel des Guten. Sie sind aus der Partei ausgetreten, und die Hälfte der Austritte war - nach der Zustimmung zu den US-Militärschlägen - "politisch motiviert", sagte Landesvorstandssprecherin Regina Michalik. "Ich bin nicht bei den Grünen, um Krieg zu führen", lautete das überwiegende Argument. Dass so viele ihren Austritt begründet haben, sei außergewöhnlich, so Landesgeschäftsführerin Kirsten Böttner. "Normalerweise wird das formlos gemacht." Es gebe allerdings auch "viele angedrohte Austritte" von Mitgliedern, die die Entscheidung am heutigen Freitag abwarten werden.

Besonders die jungen Grünen differenzieren sehr stark zwischen Realpolitik und Kriegsangst. Ramona Pop, mit 24 Jahren jüngstes Mitglied im Abgeordnetenhaus, hat als ehemalige Bundessprecherin der Grünen Jugend schon viel Erfahrungen in der Bundespolitik gemacht. Sie weiß, dass der Traum von Rot-Grün auf Bundesebene für lange Zeit geplatzt wäre, wenn Schröder keine Kanzlermehrheit bekommt und Neuwahlen fordert. Das wäre für die "machtgeile FDP" ein gefundenes Fressen, das ihr die Grünen auch noch schön kredenzt hätten. Aber andererseits könne sie die Situation in Afghanistan nicht einschätzen. "Ich bin keine Pazifistin", sagt Pop, "aber was soll Krieg bezwecken?" Parteifreunde ihres Alters würden die Situation als "düstere Klemme" bezeichnen.

Auswirkungen auf die Landespolitik sehen die Berliner Grünen nach wie vor nicht. Was aber bei vielen ein unangenehmes Gefühl auslösen würde, wären Neuwahlen und eine paralysierte Stadt. Gerade die Ampelkoalition geschmiedet - und dann gleich ein Wahlkampf mit roten, gelben, grünen Kontrahenten? Das wäre dann eine neue Zerreißprobe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false