zum Hauptinhalt
Wie geht gute Schule? Die Kinder der Carl-Craemer-Grundschule in Gesundbrunnen machen vor, wie sie sich gegenseitig beim Jahrgangsübergreifenden Lernen unterstützen. Andere Schulen geben das komplizierte Unterrichtskonzept wieder auf.

© David von Becker

Nach schlechtem Abschneiden bei Lernvergleich: Berlins Grundschüler sollen samstags lernen

Das schlechte Abschneiden der Berliner Viertklässler im Ländervergleich hat eine Debatte angeregt: Im Gespräch ist wieder die Sechstagewoche. Und auch der Ruf nach einer anderen Maßnahme wird laut.

Fast ein Jahr sind Berliner Viertklässler im Rückstand gegenüber Gleichaltrigen im Rest der Republik. Trotz aller Reformanstrengungen lesen und rechnen sie schlechter. FU-Erziehungswissenschaftler Hans Merkens fordert deshalb die Wiedereinführung des Samstagsunterrichts, um die Lernzeit besser über die Woche zu verteilen. Landeselternsprecher Günter Peiritsch kann sich das auf freiwilliger Basis vorstellen. Grundschulforscher Jörg Ramseger hält anders als Merkens den Samstagsunterricht aber „nicht für vorrangig“. Auch der Grundschulverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gingen auf Abstand. „Wir bezweifeln, dass es dafür eine Bereitschaft gibt“, sagte GEW- Sprecher Tom Erdmann auf Anfrage.

Merkens begründet seinen Vorstoß damit, dass die Lernpause von Freitag bis Montag zu lang sei. Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Schichten würden über das Wochenende zurückgeworfen. Hingegen sei das Lernpensum an den übrigen Tagen sehr groß. Das könne über sechs Tage besser verteilt werden.

„Ich habe den Eindruck, dass man dafür Gehör finden könnte, um den Unterricht zu entzerren“, sagt Landeselternsprecher Peiritsch. Er schlägt vor, dass sich die Schulkonferenzen mit dieser Frage auseinandersetzen und unter Umständen alle zwei Wochen sonnabends Unterricht anbieten. Zurzeit macht von dieser Möglichkeit nur das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster Gebrauch. Das Canisius-Kolleg hatte seinen Samstagsunterricht auf Druck von Lehrern und Eltern abgeschafft.

Inge Hirschmann vom Grundschulverband würde an ganz anderen Punkten ansetzen. Sie beanstandet, dass der Ganztagsbetrieb noch nicht optimal laufe. Die Schulen seien finanziell zu wenig flexibel, um qualitativ gute Nachmittagsangebote für die Kinder einzukaufen. Deshalb könne die gewonnene Zeit nicht sinnvoll als Lernzeit genutzt werden, kritisiert Hirschmann, die die Kreuzberger Heinrich-Zille-Schule leitet. Es müsse „mehr als Hausaufgabenbetreuung geben“, wenn die Ganztagsbetreuung Sinn machen solle. Hirschmann bemängelt besonders, dass Berlin „noch immer keine Antworten für den Umgang mit Kindern aus armen Familien und für die dritte Generation der Zuwanderer gefunden hat“.

In eine ähnliche Richtung geht die Analyse des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität, das den genannten Ländervergleich zu den Kompetenzen der Viertklässler verantwortet hatte. IQB-Leiterin Petra Stanat beanstandet, dass in Berlin Konzepte und Zielvereinbarungen für einen effektiven Ganztagsbetrieb und eine wirkungsvolle Sprachförderung fehlten. Die Bildungsverwaltung will jetzt bei der Sprachförderung und der Lehrerbildung nachbessern.

Massive Bedenken gibt es auch weiterhin an Früheinschulung und Jahrgangsübergreifendem Lernen (JüL). Wie berichtet, bezweifeln sowohl Stanat als auch Merkens und Hirschmann, dass Berlins Lehrer in die Lage versetzt wurden, diese anspruchsvollen Reformen umzusetzen. Während Merkens aber an der Früheinschulung festhalten würde, hält es FU-Grundschulforscher Jörg Ramseger für „überlegenswert, die Kinder wieder etwas später einzuschulen und stattdessen gute Vorklassen einzurichten“ – vorausgesetzt, die Schulen entwickelten dafür eine „überzeugende pädagogisch-didaktische Konzeption“. Ramseger beanstandet, dass die Grundschulen nicht gut genug ausgerüstet seien, um mit der hohen Zahl von Problemkindern zurechtzukommen. Dazu gehörten wesentlich kleinere Klassen in der Schulanfangsphase – „in den Problemgebieten statt 24 maximal 16 Kinder“.

Für einen Fehler hält Ramseger auch, dass JüL allen Schulen verordnet wurde – „auch solchen, die sich mit der Grundkonzeption gar nicht auseinandergesetzt oder diese nicht befürwortet hatten“. Die zuletzt untersuchten Berliner Viertklässler, die im Ländervergleich so schlecht abgeschnitten hatten, gehörten zu den ersten, die in größerem Umfang jahrgangsübergreifend unterrichtet wurden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false