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© ddp

Grunewald: Teufelsberg - die Ruine auf dem Trümmerhaufen

Für die US-Abhörstation auf dem Teufelsberg gab es große Pläne: Erst sollten hier Luxuslofts entstehen, später ein Yogi-Zentrum. Jetzt sprechen der Freizeitparkeigentümer und die CDU vom Abriss. Ein Besuch an einem vergessenen Ort – 115 Meter über Berlin.

Berlin - Das Bauschild für die Luxuslofts steht wacker aufrecht, auch wenn seine Zeit längst abgelaufen ist. „Fertigstellung 2002“. Nichts ist fertig auf dem Teufelsberg, es regiert der Verfall. Lebendig ist hier nur der Mythos des Kalten Krieges.

Die Anlage ist umzäunt, aber wer hinein möchte, findet einen Weg. Davon zeugen die vielen Trampelpfade durch den Schnee. Gerade dreht hier ein Filmteam aus Baden-Württemberg – die Kulisse ist beliebt in der Grusel- und Fantasy-Branche. Diesmal geht es allerdings um einen Musiker, der sein Saxophon regelmäßig in einer der Abhörkuppeln erklingen lässt, wegen der „einmaligen Akustik“, wie der Regisseur schwärmt.

Das Drehteam gewährt eine kurze Besichtigung. Der imposante Hauptturm ist inzwischen fast vollkommen unbekleidet, das Stahlskelett erinnert an den Atombombendom von Hiroshima. Überall prangen Graffiti, Fassadenteile liegen herum, verkohlte Holzbalken künden von einem Brand, leere Kabelhüllen von Kupferdieben. Die Grundmauern sind entblößt, statt Fenster klaffen Lüftungsschächte. Man erkennt grob gemauerte Industriearchitektur mit einfachen Anbauten aus Holz und Wellblech.

1992 sind die Amerikaner aus ihrem streng abgeschirmten Horchposten abgezogen, seitdem gehört das Gelände den Hobby-Entdeckern und History-Freaks aus aller Welt. Ihre Trophäen können auf den Videoportalen Youtube und Flickr im Internet bewundert werden. In den Zaun werden immer neue Löcher geschnitten und anschließend vom Eigentümer wieder geflickt. „Es findet eine Gefahrenabwehr statt“, sagt Klaus-Dieter Gröhler (CDU), Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, und fügt ohne Umschweife hinzu: „Aber das Gelände wird weiter zerstört.“ Die Gefahrenabwehr reicht eben nicht aus. Von einem Wachschutz ist nichts zu sehen. Das Verwaltungsgericht habe strengere Sicherheitsauflagen für den Eigentümer verworfen, sagt Gröhler.

Ende der 90er Jahre scheiterte der umstrittene Bau einer Hotelanlage samt Luxuswohnungen auf Berlins höchstem Trümmerberg. Die „Investorengemeinschaft Teufelsberg“ verkaufte das Gelände 2007 an die Maharishi-Friedensstiftung, eine spirituelle Yogi-Gemeinde, die hier eine Bildungsstätte zur Stärkung des Weltfriedens errichten wollte, mit Unterstützung des Hollywood-Regisseurs David Lynch. Doch bald nach Grundsteinlegung verflüchtigten sich die Pläne, denn offenbar hatten die Yogi-Jünger nicht mitbekommen, dass der Senat das Areal wieder zum Waldgebiet erklärt hatte.

Der Kaufpreis, dessen Höhe nicht bekannt ist, wurde nach Angaben des Geschäftsführers der Investorengemeinschaft, Hanfried Schütte, bis heute nicht bezahlt, deswegen gebe es rechtliche Auseinandersetzungen und das Grundstück konnte nicht übertragen werden.

Der Rechtsstreit werde noch mindestens ein halbes Jahr dauern, vermutet Schütte. Erst dann mache es Sinn, konkrete Pläne zu schmieden. Schütte könnte sich ein Projekt „im Freizeitbereich“ vorstellen. Das müsste sich allerdings mit der politischen Vorgabe einer „Renaturierung“ des Geländes vertragen.

Das mit der Renaturierung erledigt die Natur inzwischen selbst. Schmale Bäume überwuchern Zaun und Teile des Geländes. Bald kann man auch kletternd in die Abhöranlage spazieren. Ein Abriss der Gebäude sei nicht geplant, sagt Schütte. Man wolle alles im Dialog mit Bezirk und Senat regeln. Doch „von Senatsseite gebe es kein Interesse“, aktiv zu werden. „Nicht unser Thema“, bemerkt folgerichtig die Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD).

Bei den Grünen ist das Teufelsberg-Schicksal durchaus ein Thema, wenn auch „ein schwieriges“, sagt die Abgeordnete Claudia Hämmerling. Sie möchte die Abhörkuppeln zumindest als Silhouette erhalten, weiß aber nicht, wer dafür das Geld hergeben sollte. Das Gelände unter Denkmalschutz zu stellen, dafür sei es wohl zu spät. Die CDU plädiert gar für „Rückbau und Verlandschaftung“, so die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Stefanie Bung. Auf jeden Fall sollte sich der Senat mal mit dem Eigentümer zusammensetzen.

Nur der Verein „Westalliierte in Berlin“ kämpft unverdrossen für ein „Denkmal des Kalten Krieges“ auf der Teufelsbergkuppe. Ende Januar soll eine Petition für ein solches Denkmal im Abgeordnetenhaus eingereicht werden, seit einem Jahr werden dafür Unterschriften gesammelt, aber die Resonanz sei eher enttäuschend, sagt Vereinsvorsitzender Ralph Schulz. „Für die Alliierten interessiert sich derzeit niemand.“

Also verfallen die Gebäude weiter. Der Reiz dieses authentischen Ortes wird dadurch eher noch erhöht. Anders als Checkpoint Charlie oder East-Side-Gallery gibt es hier keine närrische Souvenirvermarktung, mit Schauspielsoldaten für das Erinnerungsfoto. Es weht ungebremst der eisige Wind aus der Ost-West-Vergangenheit. Hinzu kommt der reale Nervenkitzel, etwas Verbotenes zu tun. Der Wachschutz, den es hier gegen allen Augenschein geben soll, habe schon viele Eindringlinge ertappt, sagt Schütte. „Wir haben eine ganze Ablage mit Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs.“ Künftig wolle man die Eindringlinge auch finanziell zur Verantwortung ziehen.

Organisierte Führungen über das Gelände seien durchaus möglich, sagt Schütte. Bisher sei aber noch niemand an ihn herangetreten. Die History-Freaks erkunden den Berliner Zauberberg lieber auf eigene Faust.

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