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Es wird gebaut in Berlin, nur nicht günstiger Raum. Das soll sich nun laut Senat ändern.

© dpa

Günstiger Wohnraum in Berlin: Fangt endlich mit dem Bauen an

Kein Thema brennt den Berlinern mehr unter den Nägeln als die steigenden Mieten. Nun will der Senat Abhilfe schaffen und stellt einen Fonds bereit. Höchste Zeit, denn Berlin braucht bis 2030 rund 125 000 neue Wohnungen.

Der Senator kann einem fast leid tun. Michael Müller leitet das stärkste Ressort, verantwortet die Zukunftsbereiche Verkehr, Umwelt und Wohnen und wird doch immer mehr zur traurigen Gestalt: Gemobbt vom Finanzsenator Ulrich Nußbaum, allein gelassen vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, auf dessen Nachfolge Müller einst spekulierte, ignoriert von SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Und auch düpiert vom SPD-Landeschef Jan Stöß, der kürzlich am Senator vorbei eine Internationale Bauausstellung für Berlins Altstadt vorschlägt. Wundern aber muss sich Müller nicht. Seit Start des rot-schwarzen Senats verspricht er ein Wohnungsbaukonzept, nun haben ihm die Fraktionschefs von SPD und CDU die Sache aus der Hand genommen – im Pakt mit dem Finanzsenator, der jene Mittel bereitstellt, die er Müller zuvor verweigert hatte.

Die Nöte des Senators können den Berlinern egal sein. Wichtig für die Stadt ist, wie der Wohnungsproblematik begegnet werden kann. Es gibt kein Thema, das den Menschen so unter den Nägeln brennt: Nirgendwo in der Republik sind die Mieten so stark – um 37 Prozent seit 2007 – gestiegen wie in Berlin. In fünf Jahren, rechnen Experten vor, wird das arme Berlin das Niveau von Hamburg oder München erreicht haben. Gleichzeitig gibt es kaum noch freie Wohnungen, weil in den vergangenen drei Jahren die Bevölkerung um 100 000 Menschen gewachsen ist – selbst im Problemkiez Falkenhagener Feld am Spandauer Stadtrand liegt die Leerstandsquote bei nur einem Prozent. Und bis 2030 sollen es noch 250 000 Menschen mehr werden.

Ein Grafik zeigt, wo genau in Berlin die neuen Wohnungen entstehen sollen.
Ein Grafik zeigt, wo genau in Berlin die neuen Wohnungen entstehen sollen.

© TSP

Zwar werden in Berlin nach Jahren des Stillstands endlich wieder Wohnungen gebaut, doch die 2012 fertiggestellten, knapp 8000 Einheiten sind fast ausschließlich Eigentumswohnungen oder hochpreisige Lofts. Was am dringendsten fehlt – preiswerter Wohnraum für Berliner mit geringeren Einkommen oder für Familien – ist dagegen nicht entstanden; die im Koalitionsvertrag vereinbarten 30 000 Wohnungen bis 2016 sind eine Absichtserklärung geblieben.

Nun also sollen es im größten Kraftakt seit dem Mauerfall bis 2020 noch einmal 40 000 Wohnungen werden. Geld aus der Landeskasse, das ist gut so, gibt es nicht dafür. Beherzigt wird damit die Lehre aus der skandalösen Förderungspraxis der achtziger Jahre, als Investoren reich wurden, während Berlin Milliardenschulden anhäufte, ohne dass die Sozialmieten gedämpft wurden. Es ist ein kluger Zug, dass der Finanzsenator stattdessen die städtischen Wohnungsunternehmen handlungsfähig macht. Die brauchen keine Kapitalverzinsung ans Land abführen, können ihr Grundkapital einsetzen und billige Kredite nutzen, um so 15 000 Sozialwohnungen zu bauen. Der Senat will außerdem Mittel bereitstellen, um bei einem Teil der neuen Wohnungen die Mieten auf sechs Euro pro Quadratmeter hinunterzusubventionieren – sowohl bei privaten Investoren als auch bei den städtischen Unternehmen. Dafür darf der Rest der Wohnungen dann gegen Höchstgebot vermietet werden. Die Quersubventionierung ist sinnvoll, denn niemand darf sich vormachen, dass ein Neubau für unter zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter machbar ist. Dies ginge nicht einmal, wenn die Stadt den Unternehmen landeseigene Grundstücke schenken würde.

Längst überfällig und vernünftig ist für die Mieterstadt Berlin das Verbot für Ferienwohnungen und ein auf zehn Jahre verlängerter Schutz vor Eigenbedarfskündigung bei Wohnungsverkäufen, auch wenn manche in der SPD ein Umwandlungsverbot für Mietwohnungen lieber gesehen hätten. Dass diese Rechnung aufgeht, etwa bei der Quersubventionierung, ist eine Wette auf die Zukunft. Am Stadtrand werden viele für sechs Euro pro Quadratmeter wohnen wollen, ob dort aber Gutverdiener hinziehen, um so hohe Mieten wie im Zentrum zu zahlen, ist eher unwahrscheinlich. Nur eines ist gewiss: Berlin benötigt bis 2030 rund 125 000 neue Wohnungen. Deswegen muss jetzt endlich mit dem Bauen angefangen werden – die halbe Wahlperiode ist schon tatenlos verstrichen.

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