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Berlin: Gut im Central Park angekommen Mit der RBB-Laufbewegung beim Marathon in New York

In der Bronx sind die „Deutschland, Deutschland!“-Rufe am lautesten.

In der Bronx sind die „Deutschland, Deutschland!“-Rufe am lautesten. Die dunkelhäutigen Kinder am Straßenrand jubeln, hüpfen, klatschen, kreischen, als sie inmitten des bunten Menschenstromes die einheitlich blau-weiß gekleideten Läufer mit dem Brandenburger Tor auf den Shirts entdecken. Der Erste von ihnen schwenkt eine Berliner Fahne, seine Begleiter werfen die Arme zur Welle in die Luft, als wären sie gerade gestartet. Dabei haben sie schon 35 Kilometer in den Beinen, haben sich über Brücken gekämpft, sind auf einem schnurgeraden Highway zehn Kilometer durch Brooklyn gerannt und haben an den Hügeln die Sonne verflucht. Es ist ihr großer Tag. Einmal den New-York-Marathon laufen, als Belohnung für monatelanges Training im Tiergarten. 100 Berliner der „RBB-Laufbewegung“ sind zusammen gestartet; etwa die Hälfte von ihnen ist unterwegs davongezogen oder zurückgefallen, aber aufgegeben hat bisher kein einziger.

Margot Reinhardt (47) aus Charlottenburg sieht die Bärenfahne noch, aber ein Wadenkrampf bei Kilometer 32 hat sie zurückgeworfen. Zwar war gleich ein Helfer zur Stelle, aber den Pulk, in dem auch ihr Mann Klaus (49) läuft, kann sie nicht mehr einholen. „You will do it!“, schreien die Kinder am Straßenrand und recken ihr die Arme entgegen. Doch Margot Reinhardts Hände brannten schon vom vielen Abklatschen auf den ersten drei Meilen durch Brooklyn. Den Kuchen, den die Leute dort für die Läufer gebacken haben, hat sie verschmäht, aber den Bonbon, den ihr ein kleines Mädchen hinhielt, musste sie einfach nehmen. „Thank you“, rief sie, strich dem Kind kurz über die Wange, lief weiter. Das Mädchen strahlte.

Die anderen haben Manhattan erreicht. „You’ll make it!“, schreit die Menge, „come on, Berlin!“ Die Freiwilligen am Rand der siebenspurigen Straße füllen blitzschnell die Trinkbecher, die Doormen sind heraus getreten, die Cops an den Querstraßen applaudieren, Feuerwehrleute haben aus Leitern eine Brücke gebaut und feuern die Menge von oben an. Da und dort tönt Live-Musik, Gospel in Harlem, Hip-Hop in der Bronx, Klassik in Queens, Disco in Manhattan.

Dem so auffälligen Berliner Pulk können die Konkurrenten wenig entgegen setzen, es sei denn, sie haben sich als Freiheitsstatue verkleidet oder sich den Namen auf die Brust geschrieben. Ein Brite hat „Run Mike, Run“ auf sein T-Shirt drucken lassen – die Zuschauer schreien „Run Mike, Run“, wenn sie ihn sehen. Hajo Seppelt, der SFB-Sportreporter, der die Laufbewegung vor zwei Jahren gestartet hat, hält seine blau-weiße Truppe wie ein Schäferhund zusammen. Er wird heute eher 50 als die üblichen 42 Marathon-Kilometer laufen. Als die Berliner auf die Zielgerade im Central Park einbiegen, werden sie von der Moderatorin begrüßt: Aus den Lautsprechern schallt „Arr-Bi-Bi – whatever that means“. Was immer das heißt – es ist hier ohnehin einerlei. Gejubelt wird so oder so. Zwei Millionen Leute stehen normalerweise an die Strecke. Diesmal, bei 20 Grad und Sonnenschein, könnten es noch mehr gewesen sein.

Nach 5 Stunden und 7 Minuten laufen etwa 35 der 100 Berliner über die Ziellinie. Auch Klaus Reinhardt hat die aufregendsten 42 Kilometer seines Lebens geschafft. Er hat Sonnenbrand auf der Stirn, aber es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Dann biegt auch Margot Reinhardt von der letzten Straßenschlucht auf die Zielgerade ein. Ein milder Windstoß schiebt sie ins Ziel, Herbstlaub weht über die Straße. 5:14 Stunden, sagt der Chip an ihrem Schuh. Das ist kaum langsamer als bei ihrer Premiere vor einem Jahr in Berlin. „Wahnsinn, diese Stimmung! Gigantisch, irre, ja es ist … ja, ach …“ – sie findet kein ausreichend großes Wort für das Erlebnis.

Dusche, Versammlung, Essen, Schlafen. Mehr soll an diesem Tag nicht mehr passieren. Bei der Versammlung sagt Hajo Seppelt, dass offenbar alle Laufbewegten den Marathon geschafft haben. Dann gehen die Reinhardts Pizza essen. Beim letzten Bissen sagt Margot Reinhardt zu ihrem Mann: „Jetzt könnte ich glatt noch ein Stück laufen.“ Klaus Reinhardt sieht lächelnd auf die Schuhe seiner Frau. Sie ist in Badelatschen essen gegangen, weil ihre Füße in keine anderen Schuhe mehr reinpassen wollten.

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