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Berlin: Gut lernen, gut arbeiten – guter Deutscher

Die Fachleute wissen, wie wichtig Bildung und Jobs für Einwanderer sind. Aber sie sehen nicht, dass die große Politik sich ändert

Integrationsprobleme vom Neuköllner Kaliber? In Stuttgart gibt es die nicht. Dabei leben in der 600 000-Einwohner-Stadt relativ mehr Migranten als in Neukölln. Doch Stuttgart gehört zu den wirtschaftlich stärksten Städten in Deutschland. Das dürfte einer der wichtigsten Gründe für die erfolgreiche Integrationspolitik der Stadt sein. So sagte es jedenfalls der Stuttgarter Bürgermeister Klaus-Peter Murawski in einer Diskussion über die Erfahrungen in deutschen Städten bei einer internationalen Fachtagung über Migration.

Murawski musste für seine These, dass der Arbeitsmarkt die beste Integrationsmaschine ist, nicht groß werben: Der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky stimmte ihr genau so zu wie die Migrationsfachfrau Barbara John. Buschkowsky hat in und an Neukölln erlebt, wie ein Teil des Bezirks verelendete, als nach der Wiedervereinigung die subventionsgestützten Jobs verschwanden. John erinnerte sich an die bosnischen Flüchtlinge, die damals kamen, vom Staat alimentiert wurden und der damaligen Ausländerbeauftragten sagten, sie fürchteten, das Arbeiten zu verlernen. Viele von ihnen, sagte John, seien in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Einig waren sich die Diskutanten auch schnell darin, dass nur Bildung den Weg auf den deutschen Arbeitsmarkt ebnet. Murawski vertrat die These, dass sich die protestantische Arbeitsethik auf Migranten übertrage: Die verstehen schnell, wie wichtig Bildung ist. In Stuttgart tun sie dem Bürgermeister zufolge vor allem das für ihre Migranten, was den Zugang zur Bildung erst möglich macht. Sie bieten dezentral und bürgernah Sprachkurse und Mütterkurse mit gleichzeitiger Kinderbetreuung an, um die jungen Frauen zu erreichen, die hier in Berlin offenbar noch immer außen vor bleiben.

Buschkowsky stimmte dem Kollegen auch in dieser Hinsicht zu. Unsinn sei es jedenfalls, immer neue Projekte zu beginnen: 309 Integrationsprojekte für neun Millionen Euro hätten die Neuköllner Misere in den vergangenen vier Jahren nicht beendet – und daran würden auch „das vierte Bewerbungstraining und der fünfte Computerkurs“ nichts ändern.

Spracherwerb und Bildung – dafür gibt auch die Einwandererstadt New York viel Geld aus, allerdings an Orten, an denen viel Geld auch viel bewirkt: Dem New Yorker Migrationsforscher John Mollenkopf zufolge werden die Kinder der Einwanderer auch an den öffentlichen Schulen so gut gefördert, dass Lernerfolgen nichts entgegensteht. Mollenkopf nannte noch andere Orte der Bildung, die in Berlin immer weniger gefördert werden: Öffentliche Bibliotheken, sagte er, seien für die Migranten besonders wichtig. In Deutschland hingegen sei man sich einig, wie wichtige Bildung und Arbeit sind, komme aber nicht voran, meinten Buschkowsky und John seltsam einmütig.

Vorschulpflicht, Kostenfreiheit für die Kitas wären ein Anfang, sagte der Neuköllner Bürgermeister. Doch wenn die Familienministerin oder der Finanzminister sich dafür einsetzten, würden sie „von der eigenen Partei platt gemacht“.

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