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Berlin: Gute Gestaltung kennt keine Bezirksgrenzen Überlaufen, ungenutzt, zu groß, zu klein: Planer erklären, warum mancher Platz vergeudet ist

Ulrike Böhmist Fachsprecherin Städtebau der Landesgruppe Berlin-Brandenburg im Bund deutscher Landschaftsarchitekten und hat ein eigenes Büro für Landschaftsarchitektur Berlin hat viele Plätze, aber nur wenige sind wirklich beliebt und werden von den Anwohnern genutzt. Wie kommt das?

Ulrike Böhm

ist Fachsprecherin Städtebau der Landesgruppe Berlin-Brandenburg im Bund deutscher Landschaftsarchitekten und hat ein eigenes Büro für Landschaftsarchitektur

Berlin hat viele Plätze, aber nur wenige sind wirklich beliebt und werden von den Anwohnern genutzt. Wie kommt das?

Axel Klapka: Viele Plätze sind nicht einmal mehr als solche erkennbar. Sie sind zugeparkt, weil die Bezirke dort Stellplätze geschaffen haben. Andere Städte wie Lyon und Barcelona gehen besser mit dem Stadtraum um, lassen Tiefgaragen bauen und legen oberirdisch Wege und Plätze für die Bürger an.

Ulrike Böhm: Und wo Platz ist, da ist dessen Anziehungskraft oft so groß, dass er übernutzt ist. Die Berliner sind eben gerne draußen, ganz unabhängig von der Altersgruppe. Deshalb werden öffentliche Grünanlagen und Plätze intensiv genutzt. Für diesen Ansturm sind viele Plätze aber nicht gerüstet, sie sind zu klein, andere wiederum zu groß. Doch darüber macht sich niemand Gedanken. Deshalb verlieren viele Plätze in der Stadt ihre Qualität.

Die Bürger halten dagegen, sie mischen sich ein. Am Bayerischen Platz legen sie sogar Beete an. Ist das die neue Freiraumplanung?

Klapka: Ich glaube nicht, dass man die Erfahrungen aus dem eigenen Garten einfach auf Stadtplätze übertragen kann. Eine fachliche Prüfung ist wichtig: Wer wohnt hier, wer nutzt die Flächen, wer liefert Waren oder fährt vorbei? In der Stadt gibt es verschiedene Interessengruppen, und bei der Planung geht es letztlich auch um die Frage, wer welchen Raum besetzen darf und wie.

Böhm: Leider sind in vielen Bezirken Straßenamt, Bau- sowie Grünflächenamt voneinander getrennte Fachbereiche, die aber eigentlich für die Gestaltung des öffentlichen Raumes eng zusammenarbeiten müssten. So kommt es bei Planungen oft zu Blockaden. Der Verkehr hat seine Berechtigung, aber manchmal helfen neue Wegeführungen, um den Stadtraum für Passanten, Cafébesucher oder Fahrradfahrer attraktiv zu machen.

An der Spree in Friedrichshain und Kreuzberg brauchte es ein Bürgerbegehren, um Bezirk und Senat daran zu erinnern, dass Uferwege ein Gewinn für die Stadt sind. Plant die Verwaltung ohne die Bürger?

Klapka: Jedenfalls wird ein Platz oder eine Grünanlagen im jeweiligen Bezirk als einzelne Fläche angesehen, statt die Freiräume bezirksübergreifend miteinander zu verbinden. Den Mauerpark hätten die Stadtplaner durch Wege an der ehemaligen Bahntrasse mit dem Humboldthain verbinden können. Stattdessen versperren nun Gewerbebauten den Weg.

Böhm: Auch auf dem Anschutz-Areal gibt es zu wenig Plätze und Grünflächen gemessen an der Dichte der geplanten Neubauten. Nördlich der S-Bahn am Wriezener Bahnhof wurde ein schmaler Streifen angelegt, ebenso wie an der East-Side-Gallery. Dabei ist das Gebiet völlig überlaufen, Tag und Nacht. Die Stadt muss auf das veränderte Freizeitverhalten reagieren, zumal die Bevölkerung Berlins weiter wächst. Die Menschen wohnen nicht mehr in den Vorstädten und trinken Kaffee mit dem Besuch auf der Terrasse. Sie sind auf den Plätzen und in den Parks der Stadt.

Mit welchem Ziel gehen Freiraumplaner eigentlich an die Arbeit, wenn sie einen Platz umgestalten?

Klapka: Mit dem Ziel, den freien Raum zwischen den Gebäuden erfahrbar zu machen. Der öffentliche Raum duftet, hat Farben und Licht und eine ganz bestimmte Stimmung. Wir kämpfen dafür, dass Stadt und Natur für die Menschen erlebbar wird. Und dies gilt es so zu verbinden, dass die Straßen, der Platz und die umgebende Landschaft mehr Lebensqualität bieten als vor der Umgestaltung.

Gibt es Beispiele für erfolgreich angelegte Freiräume?

Klapka: Ja, der Grünzug am Bullengraben in Spandau. Dort hat die Stadt konsequent Grundstücke gesammelt und einen sechs Kilometer langen Weg mit Grünzug vom Quartier bis zum Stadtrand angelegt. Ein anderes Beispiel ist das Schöneberger Südgelände, das vom Priesterweg bis zum Potsdamer Platz führt.

Und an welchem Platz lassen sich die für Berlin typischen Probleme aufzeigen?

Böhm: Am Boxhagener Platz. Das ist ein Gartendenkmal. Er ist zu klein für einen Park, aber zu groß für einen Platz. Weil aber andererseits wenig andere Plätze in der Umgebung sind und alle Menschen bei gutem Wetter draußen sein wollen, verwandelt sich das Grün auf dem Platz rasch in eine Sandwüste. Das ist schade, denn eigentlich bietet der Platz alles, was das Quartier braucht: einen Kinderspielplatz, ein Café, eine Grünfläche – aber in der Summe ist die Fläche zu klein für das sehr dicht bewohnte Stadtquartier.

Die Fragen stellte Ralf Schönball

Axel Klapka

ist seit zwei Jahren Vorsitzender der Landesgruppe Berlin-Brandenburg im Bund deutscher Landschaftsarchitekten (bdla). Er arbeitet für K1 Landschaftsarchitekten

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