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Berlin: „Gute Krimis sind eine schaurige Lust“

Klaus-Peter Rimpel lädt seit sieben Jahren in seinem Moabiter Buchladen zur „Kriminale“ ein

„Als ich 1983 die Dorotheenstädtische Buchhandlung eröffnete, wurde ich von Freunden ausgelacht. Moabit war eine kulturelle Wüste, das letzte Ende, wo überhaupt nichts los war. Aber genau so wollte ich das, weil ich mir sagte, hier kannst du dich in Ruhe entwickeln. Das war das Konzept. Anzufangen und zu sagen: bitteschön, hier wirst du sein und hier wirst du das machen, was du willst. Das ist auch so gekommen, und da ich lange im Bezirk gewohnt habe, bin ich mehr als die Hälfte meines Lebens hier.

Ein Teil von Tiergarten ist ja die feinere Gegend. Aber hier, um die Turmstraße herum, finden Sie das typische Berlin, das in Moabit noch existiert, und ich denke es bleibt auch so – etwas überaltert, aber trotzdem eine wunderbare Mischung. Es ist nicht alles schön, aber sehr lebensecht. Und dazu gehört natürlich auch die besondere Stimmung durch die traditionelle Nähe von Justiz und Haftanstalten. Deshalb veranstalte ich auch schon seit sieben Jahren die Reihe „Moabiter Kriminale“, ein Riesenaufwand, der auch echt Geld kostet. Doch diese Lesungen von KriminalLiteratur waren von Anfang an ein großer Erfolg, gute Krimis sind halt eine schaurige Lust – ja, und jetzt muss ich halt immer weitermachen.

Die spektakulärste Veranstaltung war vor einigen Jahren mit dem einstigen Erpresser „Dagobert“, den ich gemeinsam mit seinem Verleger aus dem Gefängnis zur Lesung holte. Bevor er dann aus seinem Buch las, kam erst die Presse, zehn Fernsehsender und etwa 100 Journalisten waren an dem Tag hier.

Es muss aber nicht immer spektakulär sein. Wir haben kleinere Veranstaltungen, die nicht ganz so viel besucht werden, aber das soll auch so sein. Es kommen auch ernste Themen vor, wie im letzten Jahr mit Robert Merles „Der Tod ist mein Beruf“, eine Psychostudie des Lagerkommandanten von Auschwitz. Und mein lieber Freund Heinz Knobloch, der vor einem Jahr verstorbene Berliner Feuilletonist, hat einmal beeindruckende Anti-Kriegsstücke rausgesucht, weil Krieg ja auch kriminell ist.

Knobloch war ein wunderbarer Stadtentdecker, der hat bei mir über 50-mal aus seinen Büchern gelesen – bis zu seinem Tod. Er hat ja immer ein bisschen zwischen den Zeilen geschrieben, früher im Osten, auch später nach der Wende. So ein kleines Piekerchen, das war sein Markenzeichen.

Meine Kunden kommen zumeist aus dem Kiez, es sind alle alle Gruppen dabei, Deutsche, Türken, Russen. Doch immerhin rund zwanzig Prozent sind Juristen, durch das Kriminalgericht auf der anderen Seite.

Ich schätze um meinen Laden herum besonders die begrünten Hinterhöfe. Wenn man hier rausgeht und durch die angrenzenden Höfe wandert, ist das ein kleines Idyll, mit wunderschönen Anlagen für Kinder und ältere Menschen. Ich bin eigentlich kein Stadtspaziergänger, ich erlese mir am liebsten die Stadt Berlin, gehe aber sehr gern ins Grüne.“Aufgezeichnet von C.-P. Steinmann

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