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Berlin: Guter Geschmack fängt an der Fassade an

Hinter einem umständlichen Titel, der sich an Buchtitel des 18. Jahrhunderts anlehnt, verbirgt sich eines der wichtigsten Werke der letzten Jahre zur brandenburgichen Landesgeschichte am Ende des 18.

Hinter einem umständlichen Titel, der sich an Buchtitel des 18. Jahrhunderts anlehnt, verbirgt sich eines der wichtigsten Werke der letzten Jahre zur brandenburgichen Landesgeschichte am Ende des 18. Jahrhunderts. Zwar steht im Mittelpunkt die Rekonstruktion eines Behördenvorgangs, aber da Autor Ulrich Reinisch das Thema komplex bearbeitet, gibt er einen tiefen Einblick in die Handlungsmaximen preußischen Verwaltung.

Gegenstand ist der Wiederaufbau Neuruppins nach dem verheerenden Brand am 26. August 1787. Bereits einen Tag danach handelte die Bürokratie. Kein Verschleppen der Information und der Geldmittel, wie es außerhalb Preußens für diese Zeit typisch war. Der Brand hatte den größten Teil der Stadt zerstört, die Feuersozietat und damit der Staat hatten zu handeln. Nach welchen Prinzipien sollte die Stadt neu geplant werden ? Wie hoch hatten die Häuser, wie breit Straßen und Plätze zu sein?

Das Werk ist für den Spezialisten geschrieben, aber unverzichtbar für jeden, der sich mit Preußen und seiner Verwaltung im 18. Jahrhundert beschäftigt. Einst waren die Eliten des Staates mit reformatorischen Eifern angetreten, mittels strengster Religionsauffassung die Menschen zu verbessern. Im 18. Jahrhundert kamen sie zu der Auffassung, die Menschen durch Bildung zur Freiheit zu führen, überhaupt die menschliche Gesellschaft durch Verbesserung der Bildung neu zu konstituieren. Der Wiederaufbau von Neuruppin war damit nicht nur eine Bauaufgabe, sondern das größte Projekt der späten Aufklärung.Reinisch zieht interessante Vergleiche zu anderen Bauvorhaben z.B. in Berlin, um das "Suchen nach der Mitte" der Gesellschaft. Die Kirche trat dabei an den Rand, z.B. am Gendarmenmarkt. Hier wurde das Theater bestimmend, in Neuruppin das Gymnasium. Die Behörden ließen nicht die geringste Kleinigkeit aus, so bei der Gestaltung der Fassaden, die regelmäßig und von gutem Geschmack zu sein hatten. Dabei ging es nicht nur um Schönheit allein, sondern um die Erziehung des Geschmacks im Alltag, die Hebung ästhetischer Werte.

Das Werk geht damit weit über den eigentlichen Vorgang des Wiederaufbaus Neuruppins hinaus, wirft ein Bild der inneren Vorgänge in Preußen und regt weitere Untersuchungen zu diesem Gegenstand an. Es ist ein Buch, das man immer wieder zur Hand nehmen wird.

Laurenz Demps

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