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Berlin: Haarige Angelegenheiten

Wechselt auch der Mensch im Frühling das Fell? Wieso bekommen Frauen keine Glatzen? Sind Geheimratsecken erblich? Mit solchen und anderen Fragen beschäftigt sich ein Internationales Kompetenzzentrum an der Charité

Was macht Haare medizinisch so relevant, dass die Charité sogar ein eigenes Kompetenzzentrum eingerichtet hat?

Haare haben verschiedene wichtige Funktionen: Sie dienen als Tastorgan und schützen vor Staub, das Auge zum Beispiel. Außerdem bewahren sie die empfindliche Kopfhaut vor Sonneneinstrahlung. Das Hautkrebsrisiko ist bei Menschen mit Glatze sehr hoch, weil sie jahrelang vom Haar bedeckt war.

Bei Haarausfall ist die psychische Belastung die offensichtlichste. Gesunde Haare waren und sind Signale für eine funktionierende Sexualität und wichtig für die Ausstrahlung. Besonders Frauen haben soziale und psychische Probleme, wenn sie dünne Haare bekommen. Es ist auch erwiesen, dass Menschen mit Glatze auf andere älter und unattraktiver wirken.

3000 bis 4000 Menschen kommen jedes Jahr in unsere Haarsprechstunden. Wir analysieren das Haar dann, machen Dichtebestimmungen und Biopsien, stellen eine Diagnose und schlagen die Therapie vor. Die wird dann allerdings von Hautärzten weitergeführt. Außerdem untersuchen wir neue Medikamente. Forschungsreihen über neue Haarwachstumsmoleküle sollen uns helfen, Haarverlust besser bekämpfen zu können. (Sprechstundentermine: 450 518 256. Ab Mitte Mai werden neue vergeben.)

Tiere bekommen im Winter ein dickeres Fell, das ihnen im Frühjahr wieder ausfällt. Ist das bei Menschen auch so?

Es gibt im Frühjahr und im Herbst tatsächlichen einen minimalen Haarausfall, wir nennen das saisonale oder physiologische Schwankung. Das ist nicht krankhaft und reguliert sich von selbst. Die Ursachen sind Änderungen im Hormonhaushalt, im Frühling auch die Nachwirkungen fiebriger Erkrankungen aus dem Winter. Die wirken auf das Haar, das aus der Wachstumsphase in die Ruhephase geführt wird und nach etwa drei Monaten ausfällt, wenn ein neues Haar im Follikel entsteht. Extrem einseitige Diäten in Vorbereitung auf die Bikini-Saison kann man dem Haar übrigens auch ansehen. Einen vollständigen Fellwechsel kann es beim Menschen nicht geben, weil jedes Follikel einen eigenen Zyklus hat. Die Follikel von Tieren dagegen sind immer synchron in Wachstums- oder Ruhephase.

Wer bekommt Haarausfall und warum?

Die häufigste Art des Haarausfalls ist die so genannte androgenetische Alopezie (AGA), der anlagebedingte Haarausfall. Der trifft fast jeden zweiten Mann und 40 Prozent der Frauen über 50. Bei dieser Krankheit ist die Anzahl bestimmter Enzyme auf der Kopfhaut aus genetischen Gründen stark erhöht. Die bilden Dihydro-Testosteron (DHT), das das Wachstum der haarbildenden Hornzellen hemmt. Die Wachstumsphase der Haare wird immer kürzer, die Ruhephase länger, bis das Wachstum völlig zum Stillstand kommt und das Haar ausfällt. Der Ausfall beginnt bei Frauen etwa mit 30 bis 40, bei Männern mit 20 Jahren.

Außerdem gibt es die so genannte Alopecia areata (AA), den Kreisrunden Haarausfall. Darunter leiden in Deutschland etwa eine Million Menschen. AA ist eine Autoimmunkrankheit: Weiße Blutzellen wandern in die Haarzwiebel ein. Dadurch entsteht eine Entzündung, die das Wachstum hemmt. Allerdings bleibt das Follikel erhalten, und es kann nach einigen Monaten zu spontaner Heilung kommen. Junge Menschen haben so etwas oft.

Die verstärkte Behaarung ist ein weiteres Problem, mit dem die Menschen in unsere Haarsprechstunde kommen. Wenn sie bei Frauen im Gesichtsbereich auftritt, kann das auf Hormonstörungen zurückgehen, die die Behaarung „vermännlichen“ lassen: Am Körper nimmt sie zu, die Kopfhaare können gleichzeitig abnehmen. Hormonelle Ursachen müssen ursächlich behandelt werden. Wenn’s genetisch ist, hilft nur Laserenthaarung, Enthaarungscreme oder haarwuchshemmende Cremes wie Vaniqa.

Welchen Einfluss haben Pflegeprodukte oder Umweltbelastungen?

Pflegeprodukte beinhalten zwar Stoffe, die Allergien auslösen können, sie sind aber nur bei zu häufigem Waschen schädlich fürs Haar. Bei Shampoos sollte man darauf achten, dass sie keine Diethanolamine (DEA), Propylenglykol, Sodium Lauryl Sulfate und Sodium Laureth Sulfate enthalten. Man kann durchaus den Hautarzt darum bittem, das Shampoo auf Haartyp und Kopfhaarboden abstimmen zu lassen. Shampoos mit Koffein verbessern möglicherweise die Haardurchblutung, doch greifen sie den Ausfall nicht ursächlich an. Umweltbelastungen wie schlechte Luftqualität haben keinen Einfluss auf Haarausfall.

Was ist bei Frauen anders als bei Männern?

Männer bekommen vor allem am Hinterkopf kahle Stellen und Geheimratsecken, während sich bei Frauen der Scheitel verbreitert und die vordere Kopfhaut ausdünnt. Vollglatzen aus hormonellen Gründen gibt es bei Frauen kaum.

Welche Medikamente gibt es, wer kann die nehmen und was bringen sie?

Zur Behandlung von anlagebedingtem Haarausfall gibt es verschiedene Medikamente. Die Haartinktur Regaine (Wirkstoff: Minoxidil, fünfprozentig für Männer und zweiprozentig für Frauen) verbessert den Ionentransport auf der Kopfhaut und somit die Durchblutung der Haarwurzel, außerdem vergrößert sie den Follikel (60 Milliliter für Frauen um 45 Euro, für Männer um 60 Euro, rezeptpflichtig). Für Männer gibt es zudem rezeptpflichtige finasteridhaltige Tabletten wie Proscar, die das Enzymwachstum in der Kopfhaut hemmen (30 Stück um 50 Euro). Frauen werden mit östrogenhaltigen Haartinkturen behandelt, die in den Hormonstoffwechsel eingreifen, wie Alpicort F (100 Milliliter für 20 Euro). Allerdings wird der Haarausfall nur für den Zeitraum der Anwendung aufgehalten.

Schuppen – was hilft?

Siehe links „Was ist drin?“

Mehr im Internet

www.hairberlin.com

Ulrike Blume-Peytavi , Professorin für

Dermatologie, leitet das Internationale Haarkompetenzzentrum an der Charité. Die Fragen stellte unsere Autorin

Meike Patzig.

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