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Berlin: Haft für „Befreier Bagdads“

Die Besetzer der irakischen Botschaft wurden verurteilt

Mit erhobenem Zeigefinger stand Mithal A. zu Beginn des Prozesses im Gerichtssaal und schimpfte. Saddam sei ein Verbrecher, die Botschaft in der Riemeisterstraße der „verlängerte Arm“ des Regimes, und deshalb sei die Aktion vom 20. August 2002 ein politisches Signal „aus Notwehr“ gewesen. Am Ende des Prozesses lächelte der Drahtzieher der Besetzung der irakischen Botschaft in Zehlendorf. Gegen die fünf Eindringlinge verhängte das Berliner Landgericht gestern Haftstrafen von jeweils drei Jahren, gegen Mithal A. drei Jahre und drei Monate Haft.

Aber alle sechs Angeklagten kamen mit dem Urteil nach mehr als einem Jahr Untersuchungshaft zunächst frei. Das stimmte die Exil-Iraker ein wenig zufrieden. Die Männer im Alter zwischen 34 und 53 Jahren hatten sich in der sechsmonatigen Verhandlung auf ein Widerstandsrecht berufen. Die Richter sahen keines. Ein Aufbegehren gegen das inzwischen gestürzte Regime von Saddam Hussein sei nachvollziehbar. „Aber in einem fremden Land einfach eine Botschaft besetzen, das geht nicht“, sagte der Richter. Es sei klar gewesen, dass die Aktion nicht ohne Gewalt ablaufen würde. Außerdem sei ein Ende des Saddam-Regimes absehbar gewesen. Alle sechs Angeklagten hätten sich der Geiselnahme, gefährlichen Körperverletzung und des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht.

Als Mitglieder der „Demokratischen irakischen Opposition Deutschlands“ hatten sich die sechs Männer bezeichnet. Diese hat Mithal A., ein seit über 20 Jahren in Hamburg lebender Kaufmann mitgegründet. Für seinen Plan, ein politisches Signal gegen das Regime in seiner Heimat zu setzen, gewann er fünf in Brandenburg lebende Asylbewerber.

Mit einer Axt, zwei Gaspistolen und Reizgas stürmten sie in die diplomatische Vertretung. Die „Befreiung Bagdads“ wollten sie einleiten. Im Prozess sprachen sie von einer gewaltfreien Aktion. Tatsächlich aber besprühten sie Botschaftspersonal mit Reizgas, fesselten den damaligen Ersten Sekretär und seinen Stellvertreter und hielten die beiden Männer nach Überzeugung des Gerichts „mit Gewalt in Schach“. Die Besetzung war von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei nach fünf Stunden unblutig beendet worden. Zum Ende des Verfahrens gingen die Richter von einem minderschweren Fall aus. Zugunsten der Angeklagten seien ihre Teilgeständnisse zu werten und auch die Tatsache, „dass sich die Botschaft nicht so rühmlich verhalten hat“. Mit dem Urteil aber können die Akten noch nicht geschlossen werden. Die Anwälte kündigten bereits Revision an. Sie hatten Freispruch verlangt, weil die Aktion von Verfolgten des Regimes gerechtfertigt gewesen sei.

Kerstin Gehrke

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