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Berlin: Haftausgang nicht mehr mit weiblicher Begleitung

Nach der Flucht eines Vergewaltigers: Justizsenatorin Karin Schubert verschärft die Bedingungen für den Freigang von Häftlingen

Ralf N. ist noch immer auf der Flucht. Vor einer Woche entkam der Häftling bei einem Ausgang durch ein Toilettenfenster, während vor der Tür die ahnungslose Justizbedienstete wartete. Eine Szene wie im Film, aber einem schlechten, wie Karin Schubert (SPD) findet. „Das soll in Zukunft nicht mehr vorkommen“, verspricht die Justizsenatorin. Ab sofort bekomme deshalb jeder Gefängnisinsasse bei einem solchen Ausgang grundsätzlich einen Mann an die Seite gestellt.

Ralf N., ein 32-Jähriger aus Nordrhein-Westfalen, verbüßte seit Januar 2000 seine Haftstrafe wegen Vergewaltigung in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Anfang des Jahres war er in die neu eingerichtete „Sozialtherapeutische Anstalt“ für persönlichkeitsgestörte Täter“ (SOTA) überstellt worden, das heißt: Knast plus Therapie. „In der Regel verfügen die Insassen über wenig Selbstwertgefühl“, sagt Justizsenatorin Schubert. Die Haftzeit von Ralf N. endet im Dezember 2006.

Kurz vor seiner Flucht am vergangenen Mittwoch hatte Ralf N. Urlaub beantragt – er wurde abgelehnt. Dann beantragte N. einen unbegleiteten Ausgang – dies wurde ebenfalls abgelehnt. Fünf Tage später entwischte der 32-Jährige dann beim begleiteten Ausgang im Hellersdorfer Einkaufszentrum. „Wir führen die Flucht darauf zurück, dass Ralf N. mit diesen schlechten Nachrichten nicht fertig geworden ist“, sagt Schubert. Ralf N. hatte mit der Justizbediensteten diverse Einkäufe erledigt, bevor er sich durchs Klofenster absetzte. Die Flucht habe alle erstaunt, sagt die Justizsenatorin. In der Vergangenheit habe Ralf N. bereits mehrmals ähnliche Ausführungen „ohne irgendwelche Beanstandungen“ unternommen.

Eine Flucht mit Folgen: Künftig bekommen männliche Gefängnisinsassen eine Frau und einen Mann als Begleitung. Ist nur ein Aufpasser notwendig, erhält ein Mann den Zuschlag. Nicht, weil die Männer den Frauen grundsätzlich körperlich überlegen seien, sagt Karin Schubert, sondern damit der Begleiter im recht vorhersehbaren Fall „das Terrain“, also die Herrentoilette, sondieren könne. „Frauen sind eben nicht unbegrenzt einsetzbar“, sagt Schubert. Außerdem sollen abgelehnte Urlaubs- oder Freigangwünsche der Insassen künftig gewissermaßen eine aufschiebende Wirkung ausüben, kurz gesagt: Nach schlechten Nachrichten gibt es erst einmal keinen Ausgang.

Folgen könnte die Flucht aber auch für die genarrte Justizbedienstete haben. Ob sie sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht hat, wird laut Justizsenatorin derzeit geprüft, aber: „In einem solchen Beruf muss man seine spezifischen Sensibilitäten auch mal zurückstellen.“

Eine Gefahr für die Allgemeinheit stellt N. nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht dar. Es sei nicht davon auszugehen, dass der flüchtige Gefangene eine weitere Vergewaltigung begehe. Bisher war er durch Diebstahl und Fahren ohne Führerschein aufgefallen und deshalb zu mehreren Haftstrafen verurteilt worden. Die Vergewaltigung geschah in Braunschweig, wo der verheiratete N. in seiner Wohnung über eine Bekannte hergefallen sei.

Am Tag der Flucht war auch N.s Ehefrau beim Einkauf zugegen. Es sei auch Zweck des Ausgangs gewesen, den Kontakt von N. zu seiner Ehefrau zu vertiefen. Ihn zu resozialisieren. Auf Kosten der Sicherheit? Schubert kontert mit Zahlen: In Berlin gab es im Jahr 2002 insgesamt 71 674 Ausgänge – mit insgesamt acht Missbräuchen. „Also 0,01 Prozent“, sagt Schubert. „Das muss die Gesellschaft einfach ertragen.“

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