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Berlin: Haftausgang schon nach zwölf Tagen

Die Justizverwaltung ließ zu, dass ein Krimineller untertauchen und zwei Menschen entführen konnte

Der Häftling bekam bereits nach zwölf Tagen Ausgang, ohne Begleitung – und verschwand. Die Erklärung der Justizverwaltung klingt fast lapidar. Es habe sich um einen Sonderfall gehandelt, sagt Justizsprecherin Andrea Boehnke. „So etwas kommt sehr, sehr selten vor.“ Aber da Udo R. sich nach der Aufforderung zum Strafantritt freiwillig und pünktlich gestellt habe, habe die Leitung der Vollzugsanstalt den unbegleiteten Ausgang für verantwortbar gehalten. Immerhin: In Zukunft werde man derartige Fälle „sehr genau prüfen“.

Der 45Jährige war, wie berichtet, während eines Haftausgangs im vergangenen September geflohen. Während seiner neunmonatigen Flucht überfiel er zwei Autofahrer. Die Justiz gewährte ihm den Ausgang nur 12 Tage, nachdem er Anfang September eine 18-monatige Haftstrafe angetreten hatte. Nach Auskunft von Justizsprecherin Andrea Boehnke war Udo R. zunächst wegen unbefugten Waffenbesitzes und zweimaligen Fahrens unter Alkohol zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Wegen eines weiteren ihr nicht bekannten Delikts, das er während der Bewährungszeit beging, musste er die Strafe jedoch absitzen. Am 6. September kam er freiwillig zum Strafantritt in die Justizvollzugsanstalt Heiligensee. Wenige Tage darauf sei ihm eine Vorladung in die Haftanstalt nachgesendet worden. Wegen einer privaten Angelegenheit sollte ein medizinisches Gutachten erstellt werden. Dazu habe R. persönlich erscheinen müssen, sagte Boehnke.

In der Polizei wurde kritisiert, dass die Vollzugsanstalt dem Häftling ohne Begleitung eines Justizangestellten Ausgang gewährt hatte. R. beschaffte sich eine Waffe und überfiel am 22. Januar und am 26. Februar zwei Autofahrer. Er gab jeweils vor, dringend ins Krankenhaus zu müssen. Kaum saß er im Wagen, bedrohte er seine Opfer mit der Pistole. Im ersten Fall zwang er einen 59-jährigen Mann, 75 000 Euro von seinem Bankkonto abzuheben. Mit dem Geld floh er. Im zweiten Fall erbeutete er nur einige 100 Euro.

R. wurde schließlich nach einem Hinweis am 3. Mai in einer Wohnung in Lichterfelde festgenommen. Die Polizei war ihm mit einem Foto auf die Spur gekommen. Das war Ende Februar in einem Uhren-Geschäft an der Neuen Kantstraße in Charlottenburg von der Überwachungskamera aufgenommen worden. Das Bild veröffentlichte die Polizei auch. Der Täter wollte in dem Geschäft eine Breitling-Uhr kaufen, die sein Opfer bezahlen sollte.

Da in dem Geschäft aber keine Breitling-Uhren angeboten werden, zwang R. sein 55 Jahre altes Opfer, ihn ins KaDeWe zu chauffieren. Dort suchte sich der Täter eine Uhr aus und befahl seinem verängstigten Opfer, mit der Kreditkarte zu bezahlen. Aber dessen Kreditrahmen war weitgehend ausgeschöpft. Die Kreditkartengesellschaft weigerte sich, den Betrag zu begleichen – der Täter musste mit leeren Händen abziehen. Er zwang sein Opfer noch in die Lebensmittelabteilung im sechsten Stock. Dort verschwand Udo R. im Besuchergedränge.weso

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