zum Hauptinhalt

Berlin: Halbmast am Bülowbogen

Der Tod des Patriarchen: Auch wenn Günter Pfitzmann unter Palmen spielte, blieb der Mittelpunkt seines Lebens und Arbeitens doch Berlin

Berlin verlassen, er? Unmöglicher Gedanke. Ist ihm trotzdem mal gekommen, ein paar Jahre, nachdem die Stadt wieder eins geworden war und er mit all den Veränderungen nicht einverstanden war. „Wenn WestBerlin nicht aufpasst, dann geht es ganz schön den Bach runter“, sorgte er sich. Also der Teil der Stadt, mit dem Günter Pfitzmann Jahrzehnte untrennbar verbunden war.

„Die Spur führt nach Berlin“, so hieß einer der ersten Filme, in denen der junge Pfitzmann mitspielte. Horst Buchholz übrigens auch, aber beide blieben im Abspann ungenannt. Ein Titel, der die biografische Wirklichkeit des Jungschauspielers auf den Kopf stellte, denn von Berlin war die Spur ja ausgegangen, die Pfitzmann hinterlassen sollte, und hierher führte sie immer wieder zurück. Oft tauchten dabei dieselben Kollegen und vor allem Kolleginnen an seiner Seite auf, die eingemauerte Welt war doch überschaubar. Brigitte Grothum beispielsweise, die, wie sie gestern sagte, „47 Jahre lang seine Frau oder Geliebte“ war – „in einer Rolle als Schauspielerin“. Und Edith Hancke rief ihm ein „So einen Schauspieler wird Berlin nie mehr haben“ nach und erinnerte daran, dass sie „über 50 Jahre auch privat befreundet“ waren.

Als Sohn eines Kaufmanns war Pfitzmann am 8. April 1924 in Berlin geboren worden. Sein Bühnendebüt hatte er 1946 in Potsdam, dann mussten die Berliner nur noch drei Jahre warten, bis die „Stachelschweine“ sie zu pieken begannen. Das waren Wolfgang Gruner, Achim Strietzel, Jo Herbst und eben Pfitzmann, ein ehrgeiziges, mit massivem Magenknurren kämpfendes Team. Manchmal spielten sie nur für eine Mark zwanzig und einen Teller Suppe. Ganz am Anfang sogar für einen Knopf – „damit die Leute nicht ganz umsonst reingehen konnten“. Den Knopf mussten die Zuschauer mitbringen, oder die „Stachelschweine“ schnitten sich einen ab. Manchem blieben diese Auftritte unvergessen: „In erster Linie bewunderte ich ihn als hinreißenden Kabarettisten“, rühmte Kollege Friedrich Schoenfelder, „er tänzelte bei den Stachelschweinen förmlich über die Bühne.“

Knapp zehn Jahre später fand Pfitzmann zu seinem eigentlichen Medium – dem Fernsehen, in dem er mit Vorliebe den ebenso guten wie kantigen Patriarchen spielte. Oft war das ein Berliner, etwa mit einer Arztpraxis mitten im Kiez, am Bülowbogen eben. Schon der Name stand für das Urgestein, das Pfitzmann jahrein, jahraus darstellte: Brockmann. „Wir hatten eine schwierige Situation bei der Übergabe in der Serie“, erinnerte sich sein Arzt-Nachfolger Rainer Hunold, „Aber als ich am ersten Tag antrat, da fand ich ein Fax von ihm, darin wünschte er mir alles Gute.“

Gewiss, er hat auch in einer „Klinik unter Palmen“ gespielt, aber seine Heimat, das Terrain, in dem er als Volksschauspieler besonders gut gedieh, waren doch die von der U 2 beschatteten Straßenzüge Schönebergs, es waren die Ufer von Spree und Havel, über die der „Havelkaiser“ schipperte, der Imbiss der „Drei Damen vom Grill“ oder die Altbauwohnung der „Unverbesserlichen“.

Dem Theater ist Pfitzmann treu geblieben, hat mit Vorliebe an Berliner Boulevardbühnen gespielt, war Jahrzehnte eine der „tragenden Säulen unseres Theaters am Kurfürstendamm“, wie Intendant Jürgen Wölfert sich erinnerte. „Herz und Schnauze“, für Kanzler Gerhard Schröder das Charakteristische an Pfitzmann, kommt hier eben besonders gut an. Diese Begabung hat Pfitzmann nicht verlassen, wie Autor Curth Flatow erzählt: „Bei meinem letzten Telefonat klagte ich seiner Frau, ich sei gealtert und fünf Zentimeter kleiner geworden. Darauf rief Günter aus dem Hintergrund: Ja? Wo denn?“ ac/koc/hema

-

Zur Startseite