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Hand in Hand: So helfen Paten den Kindern von Eltern mit psychischen Erkrankungen

Sie kuscheln zusammen, und sie machen Hausarbeiten: Wenn Mütter oder Väter überfordert sind, kümmern sich ehrenamtliche Paten des freien Trägers Amsoc um Kinder. Ein wichtiger Beitrag zum Kinderschutz, loben Experten. Der Bedarf steigt

Sabine Hoffmann steht sichtbar schwanger am Küchentisch und gibt ihrer Tochter Stella Tipps, während die versucht, ihrer Geige eine Melodie zu entlocken. Die jüngere Tochter Leni rennt jauchzend um den Herd, der Familienhund apportiert ein ramponiertes Stoffpferd. Und gleich wird noch Patenkind Klara eintreffen.

Sabine Hoffmann ist bald dreifache Mutter und hat als Tierärztin einen fordernden Beruf – dennoch hat sie von ihrer Energie noch etwas abzugeben. Ihr Patenkind Klara, um das sie sich ehrenamtlich kümmert, hat sie über ein Patenschaftsangebot für Kinder mit psychisch erkrankten Eltern kennengelernt. Seit eineinhalb Jahren gehört die Zwölfjährige mit zur Familie: Einmal pro Woche ist sie nach der Schule zu Besuch.

Kinder, deren Eltern mit einer psychischen Erkrankung ringen, haben laut Experten ein erhöhtes Risiko, ebenfalls zu erkranken. In Berlin gibt es rund 22 000 betroffene Kinder. Besonders prekär ist ihre Lage, wenn der erkrankte Elternteil alleinerziehend ist und keine Verwandten oder Freunde da sind, um zu helfen. Um diesen Kindern einen stabilen Bezugspunkt zu bieten und die Eltern zu entlasten, gibt es seit 2005 das Patenschaftsprogramm der Jugendhilfeeinrichtung Ambulante Sozialpädagogik Charlottenburg (AMSOC). Damit ist der Verein Vorreiter, heißt es beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, seine Arbeit sei wichtig für die Prävention beim Kinderschutz. Katja Beeck, Leiterin des Angebots, sieht einen wachsenden Bedarf, da Familien in Berlin tendenziell immer kleiner werden. Die Zahl der psychischen Erkrankungen steigt. „Wenn kein gesunder Erwachsener da ist, müssen oft die Kinder diese Rolle übernehmen“, sagt Beeck.

20 000 Kinder sind betroffen, 30 Paten engagieren sich in Berlin

Die Patenschaft für Klara ist eine von derzeit rund 30 Patenschaften bei AMSOC. Sabine Hoffmann und ihr Mann hatten von dem Angebot durch die Psychologin erfahren, die ihre Tochter Stella behandelte. Die heute Siebenjährige war nach dem Tod ihres kleinen Bruders vor vier Jahren in Depressionen gestürzt. All die Hilfe, die Sabine Hoffmann nach dem schweren Verlust aus ihrem Umfeld erhalten hatte, bewegte sie dazu, selbst etwas weiterzugeben, „einem Kind etwas Gutes zu tun, anstelle meines Sohnes“. Bis die Patenschaft zu Klara zustande kam, dauerte es eineinhalb Jahre, da AMSOC die Schulung neuer Paten vorübergehend nicht finanzieren konnte. Momentan finanzieren die Auerbach-Stiftung und die „Tribute to Bambi“-Stiftung. Man hofft auf verlässliche Privatspender und Sponsoren. AMSOC wurde 2011 von „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet, Schirmherr Bundespräsident Christian Wulff sowie seine Frau halten das Angebot für ein „vorbildhaftes Beispiel für langfristiges bürgerschaftliches Engagement“. Sie beeindruckt die weiterführende Begleitung, wie etwa monatliche Treffen für Paten, bei denen sie Schwierigkeiten besprechen können.

Sabine Hoffmanns größte Sorge war, wie der Umgang mit der Mutter sein würde. Ihr Verhältnis ist jedoch gut, „unter anderen Umständen wären vielleicht auch wir Erwachsenen Freunde geworden“, sagt sie. Doch allen ist wichtig, dass Klara allein im Mittelpunkt steht.

Die kleine Klara will auch Tierärztin werden

Als Klaras Mutter vor zwei Jahren nach einem Burn-out und schweren Depressionen für elf Wochen stationär behandelt wurde, gab es niemanden, der ihre Tochter dauerhaft aufnehmen konnte. Klara musste pendeln und hatte Heimweh. Daraufhin bewarb sich ihre Mutter bei AMSOC – und dort stellte man nach mehreren Gesprächen fest, wie gut Klara und die Hoffmanns zusammenpassten: Das Mädchen will auch Tierärztin werden, und ein Golden Retriever wie der Familienhund war auch ihr sehnlicher Wunsch.

Seither fiel kaum ein Patentag aus. Inzwischen übernachtet Klara auch bei ihrer Patenfamilie. Heute werden bunte Herbstgirlanden aus Filz gebastelt, danach gibt es Abendessen. Nachdem die Kinder sich in Stellas Zimmer ausgetobt haben, gehen die beiden Jüngeren ins Bett. Jetzt hat Hoffmann Zeit, mit Klara allein über Dinge, die dem Mädchen am Herzen liegen, zu sprechen. Hoffmann hört ihr zu und nimmt sie ernst. Sie möchte Klara zeigen, „dass es neben dem Zuhause noch andere sichere Orte für sie gibt“.

Klaras Mutter ist erleichtert, sie braucht jetzt auch nicht mehr so oft ein schlechtes Gewissen zu haben, denn schließlich liebt sie ihre Tochter über alles. Seit Anfang des Jahres geht es ihr sehr viel besser, aber Klara weiß: „Wenn irgendwas ist, kann ich hierherkommen.“

Die Namen von Patenkind und Paten wurden geändert.

Wer Pate werden will, kann sich unter Telefon 33 77 26 82 melden. Im Internet: www.pateninfo.de

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