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Berlin: Handschellen – weil ein Rücklicht kaputt war

In Wild-West-Manier kontrollierte die Polizei einen Autofahrer. Das dient dem Eigenschutz, heißt es

Marian Przybilla glaubte an eine Verwechselung oder an eine Terroristenfahndung, als der Mannschaftswagen ihn an der Stadtautobahn in Tegel stoppte und mehrere Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag sein Auto umstellten. Eingeschüchtert kurbelte er das Fenster etwas herunter und fragte, was vorliege. Doch statt einer Antwort hörte der 51-Jährige nur den Befehl „Aussteigen!“. Als der Lehrer sich weigerte, rissen die Beamten die Tür auf und versuchten, Przybilla aus dem Auto zu zerren, was nicht gelang, weil er angeschnallt war. Endlich draußen, wurden ihm die Arme auf den Rücken gedreht und Handschellen angelegt. Dann erfuhr er den Grund für den Einsatz. „Sie sind Schlangenlinien gefahren, vermutlich betrunken, und Ihre Rückleuchten sind kaputt.“

Die Beamten kontrollierten Papiere (in Ordnung), testeten Przybilla auf Alkohol und Drogen (negativ) und stellten letztlich nur ein Knöllchen über zehn Euro aus, wegen falschen Spurwechsels, und forderten ihn auf, neue Rücklichtbirnen zu kaufen. Eine Entschuldigung gab es nicht.

Die hält die Polizei auch nicht für nötig: Der dunkle Golf habe mehrfach grundlos die Spur gewechselt und auch in der Spur leichte Schlenker gemacht. Zudem war der Wagen hinten unbeleuchtet. „Wenn wir diesen Wagen nicht kontrollieren sollen, welchen denn dann?“, fragen die Beamten. Außerdem hätten sie Przybilla mehrfach den Grund für die bewaffnete Kontrolle genannt: „Eigensicherung“. Und weil die seit 2001 von allen Innenministern empfohlen wird, sollten sich die Berliner daran gewöhnen, dass sie mit gezogener Pistole kontrolliert werden – besonders nachts und in unübersichtlichen Situationen.

Im Jahr 2000 war die Gewalt gegen Polizisten eskaliert, acht Beamte wurden im Dienst getötet. Im Juni 2000 war es auch in Berlin zu einem folgenschweren Zwischenfall gekommen: Ein Drogensüchtiger entriss bei einer Kontrolle einem Polizisten die Waffe und erschoss damit einen Sanitäter. Im Februar 2001 beschlossen die deutschen Innenminister dann, dass Beamte mit gezogener Waffe an einen Autofahrer herantreten sollen. Autofahrer sollten ihre Hände am Lenkrad lassen. Fast wie in Amerika, dachten damals viele – aber genau dagegen verwahrten sich die Politiker damals. Es gehe nur um verbesserte Sicherheit für die Polizisten. Damals wurde auch zugesagt, dass die Beamten mehr und bessere Schutzwesten bekommen sollten (siehe Kasten unten).

Über die „Eigensicherung“ der Beamten hatte sich vor Jahren schon der damalige CDU-Verkehrssenator Jürgen Klemann empört. Ihn hatte ein Zivilpolizist in Schöneberg mit gezogener Waffe kontrolliert – zuvor war Klemann der Streife allerdings davongefahren.

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