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Berlin: Hanfparade: Der Joint sollte besser stecken bleiben: Die Polizei ist mit am Zug

Es sind die 68er, die mal wieder Probleme bereiten. Die Generation, die früher gerne selbst zur Tüte griff.

Es sind die 68er, die mal wieder Probleme bereiten. Die Generation, die früher gerne selbst zur Tüte griff. Die ehemaligen Marihuana-Anhänger, die gerne in Woodstock-Erinnerungen schwelgen, seit langem aber etabliert sind und inzwischen selbst Kinder im Jugendalter haben. Diese Eltern, klagt der stellvertretende Landesdrogenbeauftragte, unterschätzten die Gefahr von Cannabis oft. "Die argumentieren: Ach, das hat uns doch auch nicht geschadet!", sagt Matthias Apel.

Davon, dass das halluzinogene Harz auch im Jahr 2000 noch viele Anhänger findet, kann man sich heute auf der vierten Hanfparade überzeugen. Das Motto des Umzuges: "Legalize it globally". Hanf solle als "Rohstoff, Medizin und Genussmittel" legalisiert werden, fordern die Veranstalter. Der Karneval des Cannabis startet um 14 Uhr am Alexanderplatz und wird am Nachmittag durch das Brandenburger Tor ziehen. Auf der Höhe des sowjetischen Ehrenmals erwartet die Menge dann ein buntes Programm: 150 Stände mit Hanfprodukten, ein Nutzhanfareal und eine große Bühne.

Wer der theoretischen Forderung praktisch mit einem Joint Nachdruck verleihen will, sollte sich allerdings in Acht nehmen. Denn die Ermittler vom Rauschgiftdezernat werden den Zug erneut begleiten. "Im letzten Jahr gab es etwa 40 Anzeigen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz", sagt Jutta Portuzek vom Landeskriminalamt.

Denn auch, wenn es viele nicht wahrhaben wollen: Der Besitz von Cannabis ist strafbar - selbst, wenn man nur mit 0,5 Gramm erwischt wird. "Die Polizei ist deshalb verpflichtet, bei jeder gefundenen Menge ein Strafverfahren einzuleiten", sagt Portzurek. Im Jahr 1999 registrierte die Polizei in Berlin 4535 Fälle. Nach der Anzeige liegt es dann bei der Staatsanwaltschaft, ob ein Kiffer tatsächlich zur Verantwortung gezogen wird. Die Berliner Ankläger haben nach Angaben der Justizverwaltung in den vergangenen Jahren eine Art Faustregel entwickelt: Bei unter 6,5 Gramm wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt, bei bis zu 15 Gramm kann eingestellt werden.

Dieser Genuss blieb einem 25-jährigen Großhandelsangestellten verwehrt. Ein Berliner Amtsgericht verurteilte den Mann am Donnerstag zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einer Geldbuße von 300 Mark. Er hatte gestanden, in seiner Küche 20 Cannabispflanzen zum Eigenbedarf gezüchtet zu haben. Der Verteidiger hatte eine Geldstrafe beantragt und auf die Niederlande verwiesen, wo der Anbau von bis zu 60 Pflanzen nicht geahndet wird - vergeblich. Doch wie viele Pflanzen dürfen auf deutschen Balkonen gezüchtet werden? "Dafür gibt es keine allgemeinen Richtlinien", sagt Justizsprecher Sascha Daue. Geprüft werde in solchen Fällen beispielsweise die Größe der Pflanzen, ihre Qualität und der Wirkstoffgehalt.

Generell stehen die Chancen in Deutschland schlecht, dass die gesetzlichen Vorschriften in Sachen Cannabis-Konsum in absehbarer Zeit gelockert werden. Im Büro der Landesdrogenbeauftragten stößt die alljährliche Forderung der Hanfparade eher auf Befremden als Belustigung. "Wir haben doch wirklich bereits genug Probleme durch die legalen Drogen wie Nikotin und Alkohol", sagt Apel. Der Joint scheint beim Nachwuchs ähnlich gut wie früher bei den Eltern anzukommen: Nach Angaben der Polizei sind die meisten Konsumenten auch heute zwischen 14 und 30 Jahren alt.

Jeder Fünfte der 18- bis 24-Jährigen hat laut Senatsjugendverwaltung bereits Erfahrungen mit Cannabis gesammelt, im Ostteil jeder Achte. Doch offenbar können nicht alle das Tütenrauchen später als harmlose Jugendsünde abhaken: Rund zwei Prozent der jungen Kiffer bekommen laut Apel mit der Zeit "enorme psychische Probleme", greifen sie dazu noch zu anderen Drogen, erhöht sich der Wert auf acht bis zehn Prozent. "Die Betroffenen klagen über starke Antriebsschwäche, haben keine Hobbys mehr und hängen nur kiffend in der Ecke rum." Sicher, sagt Apel, wirke der Anteil der Krisenfälle eher niedrig - solange er nicht ins Verhältnis zu mehreren Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland gesetzt werde. "Da kommt dann schon einiges zusammen."

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