Hansestadt vs. Hauptstadt: Hamburg besser als Berlin? Echt jetze?
Zehn Antworten auf zehn Thesen im fröhlichen Städtevergleich von Zeit Online und Tagesspiegel.de: Was meinen Sie, liebe Hamburger, liebe Berliner? Diskutieren Sie mit!
Der Hamburger Blogger Sven Dietrich, der selbst aus Berlin in die Hansestadt kam, hat für das neue Hamburg-Portal unseres Kooperationspartners Zeit Online in zehn Punkten aufgeschrieben, warum es Hamburg so viel besser hat als Berlin. Diese Breitseite vom Schwesterschiff kann nicht unbeantwortet bleiben. Hier die Berliner Replik, Punkt für Punkt.
TOP 1: Mode
Kritik am mode-unwilligen Berliner hat Tradition, nicht erst seit Finanzsenator Thilo Sarrazin den Jogginganzug als Sinnbild des arbeitsscheuen Kiezbewohners geißelte. "Sie steigen in Hamburg underdressed in den Zug ein und in Berlin overdressed wieder aus", schreibt denn auch Sven Dietrich. In Wirklichkeit aber ist der Berliner in seiner vermeintlichen Nachlässigkeit den anderen nur zeitlich voraus. Generell bewegt sich doch die Kleiderordnung eher weg vom Allzu-Formellen und hin zum Erlaubt-ist-was-gefällt. Beharrungskräfte, die sich nur in Business Suit oder Hosenanzug für gut gekleidet halten, kommen aber im Zweifel tatsächlich eher aus Hamburg (Frankfurt, Düsseldorf...) als aus Berlin.
TOP 2 Der Hauptbahnhof
Hamburg hat also einen tollen Hauptbahnhof. Einen Ort, von dem man wegkommt aus der Stadt. Das erinnert an Gelsenkirchen. Das Schönste daran sei schon immer die Autobahn nach München, hat Max Merkel gesagt, der auf Schalke mal Trainer war. Oder wiederum an die Münchener, die ihre Stadt so schön finden wegen des noch schöneren Umlands. In Berlin brauche ich weder Umland, noch Hauptbahnhof, noch, ähem, Flughafen: Ich will ja gar nicht weg.
TOP 3: Höflichkeit
Der Berliner ist höflich. Punkt. Aber er nimmt sich damit Zeit. Deshalb hier ein Tipp für zartfühlende Hamburger auf Hauptstadtbesuch: Einmal kurz zurückpampen, schon stellen Sie allerbestes Einvernehmen her und der eben noch Widerborstige wird zum hilfsbereiten Mitbürger. So entstehen bei uns in der Hauptstadt Freundschaften fürs Leben. Und das Bier kommt dann auch prompt.
TOP 4: Hunde
Zwölf Tonnen Hundekot pro Tag in Hamburg? Da dachte ich wirklich, dass man im überschaubar-gepflegt Hanseatischen schon weiter sei. Das ist so enttäuschend! Zumal der Mengenvergleich zwischen einer 1,8-Millionen- und einer 3,5-Millionen-Stadt auch noch ein wenig hinkt. Sven Dietrich kann sich jedenfalls nicht erklären, "warum es keinen Aufstand gegen die 55 Tonnen Hundekot gibt, die jeden Tag auf die Gehwege in Berlin klatschen". Darf ich freundlich kollegial einen Blick auf Tagesspiegel.de empfehlen? Der Aufstand wird nämlich gerade geprobt. Und zwar hübsch sauber in Form eines Volksbegehrens. Vielleicht auch ein Tipp für Hamburg?
TOP 5: Öffentlicher Nahverkehr
Den "funktionierenden öffentlichen Nahverkehr" lobt mein Hamburger Lokalpatriotenkollege im Vergleich zum angeblich nicht funktionierenden in Berlin. Doch halt: "In einigen Details liegt Berlin vorn – Nachtverkehr, Taktung..." Ob das womöglich die entscheidenden "Details" im öffentlichen Nahverkehr einer Metropole sind?
Die nächsten fünf Gründe - und was trotz allem für Hamburg spricht
TOP 6: In die Stadt fahren
Der Berliner muss nicht "in die Stadt fahren", was in Hamburg angeblich so wonnevoll ist. Der Berliner ist in der Stadt, ob in Köpenick oder in Spandau. Wenn der Spandauer zum Rathaus will, dann fährt er in die Stadt. Will er zum Ku'damm, dann fährt er nach Berlin. Bei uns hier ist also schon Spandau eine Stadt. Eine mit viel Wasser übrigens, vergleichbar mit Hamburg.
TOP 7: Flughafen
Brauchen wir nicht (vgl. TOP2). Wir Berliner fühlen uns hier wohl und nach Sylt/Usedom kommen wir auch mit dem Auto.
TOP 8: Einkaufen
Weite Wege beim Einkaufen in Berlin? Nicht meine Erfahrung als Kiezberliner: Alles Notwendige ist da und zwar fußläufig und das fast in jedem Berliner Kiez. Wer unter Einkaufen allerdings "Boutiquen in Prenzlauer Berg" oder "Läden in Mitte" versteht, der ist womöglich eher Tourist als Berliner. (Disclaimer: Nichts gegen Touristen!)
TOP 9: Der Kiez
Genau. Das ist das, was Berlin zu Berlin macht: mein Kiez, das urbane Dorf. Da bin ich Berliner, da darf ich sein. Welche Freude, nach einem Besuch im, sagen wir, retrorenovierten, angesagten Bikini-Haus wieder am Prager Platz in Wilmersdorf in der Sonne zu sitzen und Kaffee zu trinken, übrigens gern auch mal Latte Macchiato. Aber ich bin eben nur drei bis fünf U-Bahn-Stationen von Neuem und Spannendem weg und kann da jederzeit hin. Dass Berliner dauernd ihren Kiez loben und für den Kiez der Kieze halten, scheint mir übrigens ein urbanes Märchen zu sein, das die früher Zugezogenen gern den etwas später Zugezogenen erzählen.
TOP 10: Die Wahrheit
In Hamburg wurden also Hamburger und Currywurst und sogar Berliner Weiße erfunden, lerne ich. Und in Berlin? Da wurde "Die Wahrheit" erfunden, "die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit". Grundsätze: "Warum sachlich, wenn es persönlich geht. Warum recherchieren, wenn man schreiben kann. Warum beweisen, wenn man behaupten kann." Woran ich mich hier gern gehalten habe.
Was trotz allem doch für Hamburg spricht
Genau das, was aus Sven Dietrichs Sicht für Berlin und gegen Hamburg spricht: die Geschwindigkeit der Fußgänger. Wenn die Hamburger also wirklich so viel entspannter (der Kollege nennt es "bummeliger") zu Fuß unterwegs sind, dann wäre das für mich vorbildlich im Vergleich mit all den Hoppla-jetzt-komm-ick-Typen hier in der Hauptstadt. "Langsam durch belebte Straßen zu gehen, ist ein besonderes Vergnügen“, hat der Flaneur Franz Hessel geschrieben. Also, liebe Berliner Fußgänger: Macht's wie die Hamburger, entspannt euch! Kampfradler und Drängelraser dürfen sich auch angesprochen fühlen.
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