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Harald Martenstein: Die brennenden Busse von Berlin

Berlin hat eine neue Sehenswürdigkeit aufzuweisen, die brennenden Busse. Keine andere Weltstadt bietet Vergleichbares, findet Harald Martenstein. Dabei sagt doch sogar BVG-Sprecherin Petra Reetz: "Ein Linienbus sollte nicht brennen".

Am 23. Oktober, vor einer Woche, hat in Berlin, bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe, zum vorerst letzten Mal ein BVG-Bus gebrannt. Das war in Mariendorf. Die Anzahl der geretteten Fahrgäste betrug 13. Seit etwa zwei Jahren hat Berlin eine neue Sehenswürdigkeit aufzuweisen, die brennenden Busse. Es sind inzwischen schon mindestens acht Busse ausgebrannt, in der Regel handelt es sich dabei um das Modell Mercedes Citaro. Insgesamt haben mindestens 200 Berliner in einem brennenden Bus gesessen und das Naturereignis persönlich miterlebt, wobei es zum Glück zu keinen schwereren Verletzungen kam. Keine andere Weltstadt bietet Vergleichbares.

Das Wort „Naturereignis“ für die Busbrände wurde mit Bedacht gewählt, denn eine technische Erklärung oder rationale Begründung für dieses Phänomen konnte bisher nicht gefunden werden. Einige Busse entzünden sich im Stand, andere beginnen in voller Fahrt mit dem Brennen. Sie werden anschließend untersucht, es gibt Theorien, Schläuche werden ausgetauscht, Experten befragt, beruhigende Erklärungen werden abgegeben, einige Wochen oder nur Tage danach brennt der nächste Bus. Fest steht eigentlich nur, dass Fremdverschulden ausgeschlossen werden kann. Die Busse entzünden sich selber, wie das Nordlicht im nördlichen Skandinavien oder die Steppenbrände Afrikas. In Berlin werden ja von alters her gerne die Autos von Besserverdienenden angezündet oder leere Kinderwagen, die in Hausfluren störend herumstehen, auch Lauben sind beliebte Ziele. Allein in Hellersdorf wurden in diesem Jahr 70 Feuer gelegt. Berlin ist zweifellos die Weltmetropole der Brandstiftung. Aber bei den Bussen handelt es sich nicht um regionales Brauchtum, hier walten höhere Mächte.

Im Dezember 2009 bereits, nach einem besonders eindrucksvollen Brand (100 Gerettete) hat die BVG-Sprecherin Petra Reetz eine Art Grundsatzerklärung abgegeben. Sie gipfelte in den Sätzen: „Ein Linienbus sollte nicht brennen. Das war eine Panne.“ Die BVG wehrt sich also gegen den Verdacht, sie finde brennende Busse normal oder stecke die Busse selber an, sie distanziert sich klar von den Bränden und hat Verständnis dafür, wenn Fahrgäste sich durch Flammen belästigt fühlen. Aber man kann einfach nichts dagegen tun.

An diesem Wochenende wird die Zeit umgestellt. In Berlin beginnt wieder die dunkle, endlos lange Jahreszeit, unter der viele leiden. Hin und wieder werden wir ein helles, großes Licht sehen. Und wenn es, was mehr als wahrscheinlich ist, ein brennender Linienbus sein sollte, ein Porsche oder eine brennende Laube, dann sollten wir uns daran erinnern, dass da oben im Himmel ganz gewiss ein Berliner sitzt, der über uns wacht, damit keinem Passagier etwas zustößt, einer, der uns den Weg leuchtet und der dafür sorgt, dass uns niemals langweilig wird in unserer Stadt.

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