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Man sollte die Berliner Verwaltung nicht überfordern, findet Harald Martenstein.

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Harald Martenstein und die Widrigkeiten Berlins: Bitte etwas mehr Verständnis!

Berlins Verwaltung scheint seit einiger Zeit etwas überfordert zu sein. Harald Martenstein bringt dafür eine gewisse Nachsicht auf und erklärt, warum. Eine Glosse.

Eine Glosse von Harald Martenstein

In Berlin hat der Fall eines Wirtes aus Friedrichshain für Erheiterung gesorgt. Der Mann stellt seit 13 Jahren Tische vor sein Restaurant. Die Tische durften eine Breite von 1,45 Meter haben, elf Jahre lang. Im zwölften Jahr erklärte die zuständige Behörde, dass die Tische jetzt nur noch einen Meter breit sein dürfen. Er gehorchte. In diesem Sommer dürfen die Tische genau 97 Zentimeter breit sein. Er sägte an jedem Tisch drei Zentimeter ab. Falls im nächsten Jahr ein Meter erlaubt ist, kann er sie wieder drankleben.

Natürlich fallen einem da als Erstes all die ungelösten Probleme Berlins ein, zuerst der Flughafen, dann die Flüchtlinge und ihre Integration, die Bürgerämter, die Baustellen, die Räuberparadiese wie etwa das Kottbusser Tor, tausend Sachen. Aber so streng sehe ich das nicht. Man kann doch, wenn man von großen Problemen überfordert ist, erst mal, zur Übung, ein winzig kleines Problem lösen.

Jeder Jogger fängt mit zwei, drei Kilometern an. Wenn sie in einigen Jahren herausgefunden haben, wie breit Kneipentische sein dürfen, könnten sie sich an die Bürgerämter machen. Dann ans Kottbusser Tor. Und so weiter, bis eines Tages der Flughafen drankommt. Im Moment fehlt der Berliner Politik einfach das Selbstbewusstsein beim Problemlösen, wie einer Fußballmannschaft, die zehn Spiele nacheinander verloren hat. Da trainiert man die einfachen Sachen, um sicherer zu werden.

Im Grundsatz sinnvoll

Ich finde es im Grundsatz sinnvoll, dass auf dem Gehweg vor einer Kneipe 1,50 Meter für Fußgänger freibleiben müssen. So die Vorschrift. Aber das ist gar nicht das Problem, welches Fußgänger in Berlin haben. Das Problem sind die Radfahrer, die auf den Gehwegen aggressiv herumfahren. Wenn man eine Volksabstimmung unter Fußgängern durchführen würde, mit der Frage, ob Radfahrer oder Kneipentische das Umhergehen in Berlin stärker behindern, wäre das Ergebnis klar.

Der Radfahrer fährt einfach weg, wenn die Behörde ihn anspricht, das ist das Problem. Das wäre dann wieder eine Niederlage für die Berliner Politik. Die Wirte können nicht wegrennen. Deshalb werden sie kontrolliert. Irgendwen muss man kontrollieren. Wenn sie das Kontrollieren geübt haben und in der Materie drin sind, kontrollieren sie eines Tages auch den Brandschutz am Flughafen und die Räuber am Kottbusser Tor.

In Pankow haben sie den Wirten das Aufstellen von Rankhilfen, Pflanzengittern und Blumenkübeln von mehr als 60 Zentimetern Durchmesser verboten. Die Gesamthöhe, Kübel plus Pflanze, darf einen Meter nicht übersteigen, wegen der freien Sicht. Man soll, wenn man vor der Kneipe sitzt, auf jeden Fall freie Sicht auf die Schlangen vor den Bürgerämtern, die Räuber und die Baustellen haben. In Pankow ist das ein Grundrecht.

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