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Berlin: Harald Wolf darf jetzt Euros umverteilen Auch Karl Schiller saß im Senat Wirtschaftssenatoren bis 1990 Keiner hielt es so lange aus wie Pieroth

Der Berliner Wirtschaftssenator hat nur wenig Möglichkeiten, eigene politische Akzente zu setzen Dann ging es Schlag auf Schlag: Sechs Wirtschaftssenatoren verschliss Berlin seit dem Mauerfall

Was kommt auf Harald Wolf (PDS) zu, wenn er heute zum Wirtschaftssenator gewählt wird? Die Förderung der Landwirtschaft ist wahrhaftig nicht die wichtigste Aufgabe, aber selbst dafür stehen in seinem Etat 330 000 Euro bereit. Wirtschaftspolitik auf Landesebene ist großenteils Subventionspolitik. Für Handwerk und Mittelstand, wirtschaftsnahe Forschung und die Verbesserung der städtischen Infrastruktur stehen jährlich dreistellige Millionenbeträge zur Verfügung. Vor allem aus Töpfen des Bundes und der EU. Das Wirtschaftsressort ist ein großer Euro-Umverteilungsapparat.

Außerdem muss sich der Berliner Wirtschaftssenator darum kümmern, dass genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Er soll die Schwarzarbeit bekämpfen und Arbeitsbeschaffung betreiben. Der Handlungsspielraum ist eng; nicht nur aus finanziellen Gründen. Denn Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik funktioniert nur in Zusammenarbeit mit den privaten Unternehmen, den Arbeits- und Sozialämtern, anderen Senatsressorts und im Rahmen der Bundesgesetze und EU-Vorschriften. Auf Landesebene können wirtschaftspolitische Akzente nur im bescheidenen Rahmen gesetzt werden.

Zum Beispiel durch die längst überfällige Einrichtung einer zentralen Investorenanlaufstelle, die Neuansiedlung von Unternehmen und eine bessere Kontrolle der Anstalten des öffentlichen Rechts. Das sind die Wasserbetriebe, die BVG und die Stadtreinigung, aber auch die Landesbank, die Investitionsbank und die Feuersozietät. Leider entpuppte sich das Land Berlin in der Vergangenheit häufig als schlechter Unternehmer.

Eine schwierige Aufgabe für den Wirtschaftssenator ist auch die anstehende Privatisierung der Messegesellschaft. Die Ladenöffnungszeiten, soweit sie auf Landesebene überhaupt steuerbar sind, gehören ebenfalls zu seinem Metier. Seit Gregor Gysi ist das Wirtschaftsressort für die Förderung von Frauenprojekten und das Landesgleichstellungsgesetz zuständig. Zeitweise durften Berliner Wirtschaftsssenatoren sogar Verkehrspolitik betreiben. Aber das ist schon eine Weile her. Ulrich Zawatka-Gerlach

Hermann Landwehr (parteilos) und Gustav Klingelhöfer (SPD) waren Männer der ersten Stunde. Sie kämpften für das materielle Überleben Berlins nach Kriegsende. Für den Wiederaufbau waren bis 1961 die Wirtschaftssenatoren Wilhelm Eich (FDP) und Paul Hertz (SPD) zuständig. Nach dem Mauerbau holte der Regierende Bürgermeister Willy Brandt den Parteifreund Karl Schiller in den Berliner Senat, der später als Bundeswirtschafts- und Finanzminister das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz konzipierte. Ihm folgte 1965 Karl König (SPD) nach, der fast zehn Jahre im Amt blieb. Allesamt waren sie Volkswirtschaftler. Der erste Jurist im Amt des Wirtschaftssenators wurde Wolfgang Lüder (FDP); damals einflussreichster Mann der Berliner Liberalen. Ein knapp fünfmonatiges Gastspiel gab Guido Brunner (FDP) im Senat von Hans-Jochen Vogel. Ebenfalls ein Jurist und gleichzeitig Diplomat mit viel Erfahrung in der Außen- und Europapolitik. Auch der Wirtschaftswissenschaftler Peter Mitzscherling (SPD) konnte seine fachlichen Fähigkeiten im rot-grünen Momper-Senat 1989/90 nicht voll entfalten. za

Kein Wirtschaftssenator war so lange im Amt wie Elmar Pieroth (CDU). Von 1981 bis 1989, dann noch einmal von 1996 bis 1998. Insgesamt zehn Jahre und sieben Monate prägte der Volkswirt, Politologe und Weinhändler, der auch bundespolitisch sehr aktiv war, die Wirtschaftspolitik in Berlin. Richard von Weizsäcker hatte den liberalen Pfälzer mit der barocken Ausstrahlung in die Stadt geholt. Zwischenzeitlich war er auch Finanzsenator, aber ohne Fortune.

Nach Rot-Grün, als Peter Mitzscherling Wirtschaftssenator war, kam Norbert Meisner (SPD). Ein Theologe, damals Wortführer und Vordenker der sozialdemokratischen Linken in Berlin. Zuvor hatte er als Finanzsenator eine gute Figur gemacht, aber die Welt des privaten Unternehmertums war nicht seine Welt. Nach Meisner musste wieder Pieroth ran, der aber 1998 amtsmüde aufgab und Platz machte für den CDU-Nachwuchsmann Wolfgang Branoner. Der unkonventionelle, angriffslustige Verwaltungswirt blieb aber im Schatten des Regierungschefs Diepgen und konnte wenig gestalten.

Juliane Freifrau von Friesen (parteilos), Juristin und Betriebswirtin, hatte sich bei der VEAG um die Führungskräfte gekümmert, bevor sie überraschend in den rot-grünen Übergangssenat von Klaus Wowereit gerufen wurde. Sie führte das Amt solide, aber weitgehend wirkungslos. Dann kam, mit Rot-Rot, der Medienstar Gregor Gysi (PDS). Der charismatische Rinderzüchter und Jurist, wichtigster Führungsmann der PDS seit 1990, ließ sich von den Genossen überreden, Wirtschaftssenator zu werden. Mit den Unternehmern kam er gut zurecht, aber die Arbeit machte ihm keinen Spaß. Die Bonusmeilen-Affäre war ein willkommener Anlass für Gysi, sich rasch wieder zurückzuziehen. za

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