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Berlin: Hartz IV schafft Arbeit – für Sozialrichter

7000 Verfahren laufen gegen Job-Center. Ein Drittel der Kläger ist erfolgreich Eine weitere Welle von Prozessen wird im Sommer erwartet

Wie keine andere Sozialreform zuvor hat die Einführung von Hartz IV die Gerichte beschäftigt. Bis zum Jahresende werden beim Berliner Sozialgericht knapp 7000 Klagen und Eil-Verfahren gegen Bescheide der Job-Center eingegangen sein. Nach Angaben von Gerichtssprecher Michael Kanert sind davon bereits 4000 Verfahren abgeschlossen – rund ein Drittel davon für die Kläger erfolgreich. In vielen Fällen wehren sich Arbeitslose dagegen, wie die Job-Center beispielsweise das Einkommen der Partner oder eigenes Vermögen auf das Arbeitslosengeld II angerechnet haben. Auch spielte häufig eine Rolle, ob die Betroffenen in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben. Klagen zu Ein-Euro-Jobs waren eher selten.

Wegen der hohen Zahl der Hartz-IV-Fälle ist das Sozialgericht, bei dem unter anderem Klagen gegen Arbeitsagenturen, Sozialversicherungsträgern oder Berufsgenossenschaften landen, an „das Limit der Belastungen“ gestoßen. Wie Kanert sagte, wurde deswegen innerhalb eines Jahres die Zahl der Richter, die sich mit Hartz IV und dem Arbeitslosengeld II beschäftigen, verdreifacht. Von Januar an widmen sich dann 17 Richter diesem Themenkomplex. Zwei weitere Stellen wird es im Laufe des kommenden Jahres geben. Wegen der zahlreichen Klagen müssen Betroffene auch bei anderen Sachgebieten mit längeren Bearbeitungszeiten ihrer Klagen rechnen.

Mit einer weiteren Flut von Hartz-IV- Verfahren rechnet Kanert ab Mitte des kommenden Jahres. Zu diesem Zeitpunkt wird in Berlin erstmals die Angemessenheit der Wohnungen überprüft. Bis dahin gelten laut einem Beschluss des Senats Übergangsfristen, in denen auch zu hohe Mieten akzeptiert werden. Werden danach aber die festgelegten Mietobergrenzen überschritten, können die Job-Center die Betroffenen dazu auffordern, sich eine billigere Wohnung zu suchen.

Sozialgerichtssprecher Kanert führt die hohe Klagezahl auch darauf zurück, dass es bei Hartz IV noch eine große Rechtsunsicherheit bei Job-Centern und Rechtsanwälten gebe. „Die Materie ist inzwischen so kompliziert wie das Steuerrecht“, sagt Kanert.

Die meisten Fälle aber, in denen Arbeitslose gegen die Entscheidungen der Job-Center vorgehen, landen erst gar nicht vor Gericht. Bis Ende September zählte die Regionaldirektion für Arbeit in Berlin knapp 50 000 Widersprüche, die beim so genannten Kundenreaktionsmanagement der Job-Center eingegangen sind: In knapp der Hälfte der Fälle mussten die fehlerhaften Bescheide korrigiert werden. „Die Zahl ist sehr hoch“, sagt Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion. Um diese zu senken, werde es weitere Schulungen für die Mitarbeiter zur korrekten Berechnung der Leistungen geben. Außerdem äußerte er die Hoffnung, dass die weitere Erfahrung der Mitarbeiter dazu führen wird, die Fehlerquote zu senken. Allerdings führt die Regionaldirektion seit Oktober keine berlinweite Statistik mehr über Widersprüche; die Daten werden dann nur noch gesondert in den zwölf Job-Centern registriert. Derzeit beziehen in Berlin rund 316 000 Haushalte Arbeitslosengeld II.

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