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Berlin: Hat Berlin zu viele Einkaufszentren?

Der Markt richtet es meist von selbst. Manchmal richtet er sich aber auch nur selbst zugrunde.

Der Markt richtet es meist von selbst. Manchmal richtet er sich aber auch nur selbst zugrunde. Der aktuelle Einkaufszentren-Boom ist ein gutes Beispiel. Erinnert sich noch jemand, wie vor rund zehn Jahren jeder Bezirksbürgermeister nach einem Multiplex-Kino barmte? Jetzt werden die Dinger wie sauer Bier gehandelt, und Einkaufszentren sind die neuen Multiplexe, Denkmale gestalterischer und kaufmännischer Einfalt, Kathedralen der Geiz-ist-geil-Religion. Eins ist wie das andere, in Steglitz wie am Potsdamer Platz oder in Hohenschönhausen. Mit Marmorkitsch und Pianogeklimper wird notdürftig überdeckt, dass dort eine kaum zu unterbietende Ödnis des Angebots der immergleichen Ladenketten herrscht. Und die Arbeitsplätze sind überwiegend unqualifizierte McJobs, die im Ernstfall so schnell wegfallen, wie sie anderswo Stellen vernichtet haben. Preisfrage: Was tut der Deutsche im Urlaub am liebsten, außer in der Sonne zu liegen? Er geht shoppen. In den pittoresken Ladenzeilen spanischer oder italienischer Städte, in den großartigen – eben ganz anderen – Einkaufszentren Amerikas, auf ägyptischen Basaren oder asiatischen Bauernmärkten. Hier aber lässt er zu, dass alles, was nur rudimentär an jene Attraktionen erinnert, von Investoren platt gemacht wird. Klar: Der Einzelne kann daran nichts ändern. Aber unsere Politiker können es. Sie müssen nur nicht willenlos jeden Mega-Trödelmarkt absegnen, dessen Bauantrag auf ihrem Schreibtisch liegt.

Ohgottohgott! All diese Einkaufscenter, überall nur kalter Stahl und hartes Glas. Und die vielen Läden im Kiez – die haben doch keine Chance gegen diese Kommerzmonster.

So, jetzt aber Schluss mit solch jammernder Kleinstadt-Romantik. Berlin hat nicht zu viele, sondern noch lange nicht genug Einkaufszentren.

Nehmen wir die Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg. Auch dort entsteht jetzt ein Einkaufszentrum mit vielen Stockwerken, und keinem wird das Ding schaden. Im Gegenteil. Endlich verschwinden die Ramschläden mit ihren Prepaid-Handykarten und Kochtopfdeckeln und das alte Parkhaus gleich mit. Ähnlich verhält es sich beim „Alexa“ am Fernsehturm. Will denn wirklich jemand den alten Parkplatz zurück, der sich dort befand? Vermisst jemand den vermüllten Güterbahnhof, auf dem heute die „Spandau-Arcaden“ stehen? Na also.

Doch nicht nur Lücken in der Stadt werden durch Einkaufszentren geschlossen, sondern auch ganze Viertel aufgewertet (wie die Gropiusstadt etwa durch die -passagen oder die Gegend am Savignyplatz durch das Stilwerk), wovon auch die kleineren Läden im Kiez wieder profitieren, weil mehr Kundschaft kommt.

Gekauft wird dort, wo es den besten Service gibt, die besten Preise. Wo es sauber ist, beleuchtet und die Wege kurz sind. Und: Wo nicht überall Hunde hinmachen. Das tun sie in Einkaufszentren jedenfalls nicht. André Görke

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