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Berlin: Hat gar nicht gepiekst

Kranksein geht auch angenehmer. Wie Medizintechnik Schmerzen nimmt, Behandlungen verkürzt und die Vorsorge verbessert. Eine Galerie der jüngsten Erfindungen gegen Krebs, Diabetes, Parkinson und Herzerkrankungen

DARMSPIEGELUNG OHNE SCHLAUCH

Im sechsten Stock der Meoclinic an der Berliner Friedrichstraße liegt ein Raum, in dem es laut surrt, das ist die Kühlanlage für den Computertomographen. Das Gerät hat ein großes Loch, durch das Loch wird eine Liege geschoben, auf der liegt ein Mensch. Ein Röntgenstrahl saust im Kreis um den Menschen herum und macht Aufnahmen vom Darm. 500 Aufnahmen in knapp 30 Sekunden. Dann ist es vorbei. Der Mensch geht mit dem Arzt ins Besprechungszimmer und guckt, welche Bilder der Computer errechnet hat. Der Befund: alles okay.

So kann es sein bei der virtuellen Darmspiegelung. Kein Schlauch im Gedärm, keine Schmerzen. Nachdem die Methode einige Jahre erprobt wurde, gab es in den USA vor kurzem den ersten Massentest mit mehr als 1200 Personen – und guten Ergebnissen. Die Übereinstimmung mit der herkömmlichen, der endoskopischen Spiegelung beim Finden von Krebsgeschwulsten, Polypen genannt, betrug 93,9 Prozent.

Darmkrebs ist eine richtige „Hätte- wäre“-Krankheit: Hätte ich doch früher mal nachsehen lassen, wäre ich bloß zur Vorsorge gegangen. In Deutschland erkranken jährlich 57 000 Menschen neu an Darmkrebs, 30 000 sterben – Darmkrebs hat die zweithöchste Todesrate aller Tumorerkrankungen. Darmkrebs ist aber auch eine langsame Krankheit. Wenn man die Geschwulste früh erkennt, kann man sie entfernen, und dann ist es wieder so, als hätte es den Tumor nie gegeben. Eine Darmspiegelung ist der sicherste Weg, Darmkrebs zu erkennen und gleich zu beseitigen.

Man müsste bloß mal hingehen. Bis zum 56. Lebensjahr braucht man eine Überweisung, damit die Kasse zahlt, danach hat man Anspruch auf die Vorsorge. Doch den nutzen laut Statistik nur 1,7 Prozent der Berechtigten. „Klar“, sagt Professor Bernd Lünstedt, „die sagen sich: Ich bin doch gesund, warum soll ich mir das antun.“

Lünstedt bietet die virtuelle Darmspiegelung an zwei Standorten an, im Berliner Gesundheitszentrum „Villa am Roseneck“ und in der Meoclinic. Auch die Charité verfügt über diese Technik. Lünstedts Patienten sind meist privat versichert, denn die gesetzlichen Kassen zahlen die virtuelle Spiegelung in der Regel nicht, für die Lünstedt Kassenpatienten 350 Euro berechnet (200 Euro nimmt er für die endoskopische Spiegelung). Es gebe aber Ausnahmen, heißt es bei der AOK Berlin – „für eng definierte Indikationen“. Für Menschen, die einen Herzinfarkt hatten, für Patienten mit Medikamentenallergie oder solche, die Blutgerinnungshemmer nehmen – oder die, die vor dem Schlauch panische Angst haben.

Die virtuelle Darmspiegelung kann die endoskopische nicht ersetzen, das sagt auch Lünstedt. Man könne mit den Computern Polypen zwar schon ab einer Größe von drei Milimetern erkennen, das ja, aber entfernen kann man sie nicht. Deshalb bietet Lünstedt beide Methoden an: Entdeckt er auf dem Computer etwas Verdächtiges, folgt gleich die endoskopische Untersuchung, bei der Polypen weggeschnitten werden.

Der Computertomograph hilft auch hier: Die Ergebnisse des Röntgens hat er in vier Bilder umgerechnet, die auf dem Diagnosebildschirm ein Quadrat bilden. Zwei Bilder zeigen das, was der Radiologe sehen würde: Kreise und Flecken. Dem Laien sagt das nichts. Ein weiteres Bild zeigt das, was der Endoskopiker sehen würde: Der Blick fährt durch das rosafarbene Darmgewölbe, das sich in Kurven windet. Wüchse hier ein Polyp, wäre er als schwarzer Fleck erkennbar. Und dann gibt es noch das Bild, das der Chirurg sieht: den weißen Umriss des etwa 1,60 Meter langen Darms. Wenn Lünstedt auf dem Endoskopikerbild etwas entdeckt, klickt er die Stelle auf dem Bildschirm an und das Gerät errechnet, wo diese Stelle auf den anderen Bildern ist. Der Chirurg müsste also nicht noch mal suchen.

Was es aber noch nicht gibt: Das Computerprogramm, das es einem erspart, den Darm vor der Spiegelung zu reinigen. Dafür muss man bisher vier Liter abführende Flüssigkeit trinken, die nicht gut schmeckt, oder eine geringere Dosis eines anderes Mittels, das scheußlich schmeckt. Man arbeite daran, heißt es.

Im März ist Darmkrebsmonat. Zu diesem Anlass bietet Bernd Lünstedt die virtuelle Darmspiegelung für 220 Euro an. Telefon: 40 10 86 57. Mehr auch unter www.chirurgische-beratung.de

INSULIN ZUM INHALIEREN

Ein tiefer Atemzug nur – und schon ist der Blutzuckerspiegel unter Kontrolle. Bisher müssen Diabetiker sich Insulin spritzen, entweder einmal am Tag oder sogar vor jeder Mahlzeit – schmerzhaft und lästig. Nun aber hat der Pharmakonzern Pfizer „Exubera“ erfunden, die Alternative zur Spritze: ein Insulin-Trockenpulver, das vor jeder Mahlzeit inhaliert wird. „Das Pulver kommt vermutlich noch in diesem Jahr auf den Markt", sagt Helmut Schatz von der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Derzeit prüft die Europäische Zulassungsbehörde noch die Lungensicherheit des Mittels. Voraussichtlich wird das inhalierbare Insulin allerdings „mindestens doppelt so viel“ kosten wie die flüssige Variante, schätzt Schatz.

PFLASTERN GEGEN PARKINSON

Draufkleben und nicht mehr dran denken – weil das so praktisch ist, werden immer mehr Arzneien in Pflasterform angeboten: die Pille etwa, die als Verhütungspflaster „Evra“ seit einem Jahr auf dem Markt ist und nur wöchentlich erneuert werden muss. Auch in der Hormontherapie (Estrabeta 25), bei Reiseübelkeit (Scopoderm TTS), Angina pectoris (Deponit NT 5) und in der Schmerztherapie (Durogesic SMAT 25) gibt es schon Medikamente, die über die Haut wirken. „Außerdem wird der Organismus im Verhältnis zur Tablettengabe viel geringer belastet“, sagt Rainer Bienfait, Vorsitzender des Apothekenverbands Berlin.

Erstmals wurden Medikamente in den frühen 80ern in Pflasterform angeboten. Grundsätzlich ist das ein schwieriges Verfahren, denn nur ein sehr geringer Prozentsatz aller Moleküle lässt sich in Membranpflaster einbauen. Diese haben aber einen riesigen Vorteil: Sie geben Medikamentendosen ganz konstant ab; deshalb ist das Pflaster vor allem da im Vorteil, wo es auf gleichmäßige Dosierung ankommt. Das will sich auch die Firma Schwarz Pharma zunutze machen, die im Januar die europäische und amerikanische Zulassung für das Pflaster Neupro, ein Medikament gegen Parkinson, beantragt hat (Telefon 02173/48 18 66). Gerade Parkinson-Patienten reagieren sensibel auf ungleichmäßige Medikamentendosen.

GANZKÖRPERANALYSE IN 3D

Sie sollen die Krebsdiagnostik verfeinern, kleinste Metastasen entdecken und diese auch genau lokalisieren können: die neuartigen PET/CT-Scanner. Bisher gibt es zwölf dieser Geräte in Deutschland. Sie kombinieren die Vorteile der Computertomographie (CT) und der so genannten Positionen-Emissions-Tomographie (PET). Die CT liefert Schichtaufnahmen des Körpers, PET bildet die Stoffwechselprozesse im Körper ab. Legt man PET- und CT-Bild übereinander, erhält man eine sehr genaue 3D-Landkarte des Körpers. Nur eine halbe Stunde dauert die Ganzkörperanalyse. Knapp 1000 Euro kostet die Untersuchung, Kassenpatienten müssen die allerdings selbst aufbringen. Auch in Berlin steht eines dieser Geräte, im PET-Diagnose-Zentrum. Mehr: www.berlin-diagnostik.de.

IMPFSTOFF GEGEN FRAUEN-KREBS

250 000 Frauen sterben weltweit jährlich an Gebärmutterhalskrebs. Als Auslöser vermuten Forscher die Infektion mit dem so genannten „Humanen Papillomavirus“. Eine Impfung gegen dieses Virus könnte in bis zu 70 Prozent der Fälle die Entwicklung eines Tumors verhindern, lautet das Ergebnis jüngster Studien. „In zwei bis drei Jahren sollte der Impfstoff marktfähig sein“, sagt Achim Schneider, Direktor der Klinik für Gynäkologie am Campus Benjamin Franklin der Charité; Kosten: 50 bis 100 Euro. Bis dahin ist es aber schon möglich, sich als Studienteilnehmerin impfen zu lassen. Interessierte können sich per E-Mail direkt an ihn wenden: achim.schneider@charite.de.

EKG PER T-SHIRT

Die Zukunftsvision: ein T-Shirt mit eingebautem EKG. Unsichtbare, leitfähige Fäden messen den Herzschlag, Chips, die klein wie eine Applikation in Brusthöhe sitzen, speichern die Daten . „In zwei Jahren möchten wir die ersten EKG-T-Shirts liefern“, sagt Christine Kallmayer vom Berliner Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration. Die Hoffnungen sind riesig: Risikopatienten könnten ein großes Stück persönlicher Freiheit wiedererlangen. Der Apparat könnte nicht nur den Patienten selbst warnen, sondern die Daten auch gleich an den Arzt schicken. Zudem ist die Technologie spottbillig. „Ein EKG-Shirt wird vielleicht 20 Prozent mehr kosten als ein normales T-Shirt.“ Mehr: www. izm.fhg.de.

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