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Haufenweise Ärger: Unterwegs mit der Hundestreife

Auf Hundestreife in Lichtenberg: Die Ordnungsamtsmitarbeiter haben sich an Frust im Job gewöhnt. Oft ergreifen die Halter beim Anblick ihrer Uniform die Flucht – oder sie schalten auf Angriff um.

Noch etwa 100 Meter ist der Mann mit dem großen braunen Setter entfernt. Der Hund läuft ohne Leine, er schnuppert umher, läuft einige Meter über die Wiese der Parkaue und bleibt aufmerksam stehen, als er auf dem Parallelweg die junge Frau mit dem Kind bemerkt. Dann läuft der Setter, die Nase am Boden, weiter. Unauffällig beschleunigen die beiden Mitarbeiter des Ordnungsamts Lichtenberg ihre Schritte – doch zu spät. Der Hundehalter hat die Frau und den Mann in ihren dunkelblauen Uniformen bereits gesehen. Er geht zu seinem Tier, leint es an, dreht sich um und verschwindet strammen Schrittes. Nicole Pritzkoleit und Bernard Bittner haben das Nachsehen. Wieder einmal.

„Solche Szenen sind typisch. Dort, wo wir sind, passiert selten etwas“, sagt Dirk Fleischer, der für rund 30 Mitarbeiter verantwortliche Außendienst-Teamleiter im Ordnungsamt Lichtenberg. Der 42-Jährige vergleicht das Verhalten von Hundehaltern mit denen von Autofahrern, die auf der Stadtautobahn eine grüne Minna sehen und die Geschwindigkeit deshalb kurz von 100 auf 80 Kilometer pro Stunde reduzieren. „Wenn die Hundehalter uns in unserer Dienstkleidung von Weitem bemerken, ist es fast immer zu spät“, sagt Fleischer. Und wenn die Ordnungsamt-Mitarbeiter in ihrer Dienstzeit zwischen sechs und 24 Uhr einen Hundehalter tatsächlich bei einem Verstoß auf frischer Tat ertappen, werden sie in vielen Fällen noch beschimpft. „Dann wird auf all die verwiesen, um die wir uns lieber kümmern sollen – Falschparker und Ruhestörer zum Beispiel”, sagt Fleischer. Meist käme auch noch der Satz: „Wofür zahle ich denn Hundesteuer?” Fleischer lächelt etwas resigniert: „Dabei weiß eigentlich jeder, dass es in Deutschland keine zweckgebundenen Steuern gibt.” Ob die Steuereinnahmen überhaupt reichen würden, um die 55 Tonnen Hundekot zu entfernen, die Berlins rund 110 000 gemeldete Hunde – die Tausende unregistrierten nicht eingerechnet – täglich produzieren, ist außerdem fraglich. Allein in Lichtenberg sind es an jedem Tag etwa fünf Tonnen.

Bittner ist es schon passiert, dass er tätlich angegriffen wurde, als er die 35 Euro Verwarnungsgeld von einem Halter mit frei laufendem Hund kassieren wollte. „Einmal hing mir sogar ein Kampfhund am Kragen. Wäre ich nicht so groß, hätte ich ihn wohl am Hals gehabt”, erzählt der 39-Jährige, während er mit seiner Kollegin im Stadtpark Lichtenberg weiter auf Streife geht. Auf einer Parkbank sitzen zwei junge Männer mit ihrem Feierabendbier, daneben döst ein großer Schäferhundmischling. Bittner und seine 24-jährige Kollegin Pritzkoleit fragen die Männer höflich, ob sie eine Leine für ihren Hund dabei haben, sie verneinen, müssen 35 Euro zahlen und die Parkanlage verlassen. „Wenn sie eine Leine gehabt hätten, wäre es eventuell nur auf eine mündliche Verwarnung hinausgelaufen”, sagt Bittner. Denn die Männer seien sofort einsichtig gewesen und vor allem hätte der Hund in ihrem unmittelbaren Umfeld gelegen. „Wir versuchen stets, den Menschen freundlich und nicht als etwaigem Feind entgegenzutreten”, so Bittner.

Außendienst-Teamleiter Fleischer, früher selbst Hundebesitzer, wirkt ratlos. „Natürlich trainieren wir unsere Mitarbeiter in Kommunikation und Deeskalation, aber damit erreichen wir eigentlich nur die Halter, die sowieso wissen, dass sie etwas falsch gemacht haben.” Bei sehr vielen Hundehaltern sei ein Unrechtsbewusstsein aber gar nicht vorhanden. Auch, weil die Politik sich bis vor wenigen Jahren überhaupt nicht für solches Fehlverhalten interessiert hätte. Erst seit kurzem fordern Politiker wie Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) angesichts von über 600 gebissenen Menschen im letzten Jahr stärkere Kontrollen der Einhaltung des Hundegesetzes. Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling will einen Hundeführerschein für jede große Rasse.

Eine in Fleischers Augen sinnvolle Maßnahme wäre es, wenn seine Mitarbeiter in Zivil gehen dürften, um nicht schon von Weitem erkannt zu werden. „Doch die Politik hält das im Sinne des Grundsatzes ‚präventiv vor repressiv‘ nicht für angemessen”, so Fleischer. Auch Christof Wüllner vom Projekt Stadt & Hund würde sich zivile Ordnungsamts-Streifen wünschen. „Als bei der BVG Kontrolleure in Zivil eingeführt wurden, haben auch erst alle geschimpft – heute ist das Modell längst akzeptiert und erfolgreich”, sagt Wüllner. Er glaubt, dass viele Ordnungsamtsmitarbeiter sich vom Umgang mit ignoranten oder aggressiven Haltern und deren Hunden schlicht überfordert fühlen. Da die Zuständigkeiten der zwölf Ordnungsämter stetig steigen, würden sich manche Mitarbeiter eben lieber um Aufgaben wie die Überwachung des ruhenden Verkehrs oder Jugendschutz- oder Gewerbekontrollen kümmern. „Es sind mehr Schulungen notwendig, in denen die Mitarbeiter lernen, wie sie sich gesunden Respekt verschaffen und als Hilfe wahrgenommen werden können”, fordert Wüllner. Wo die einzelnen Ordnungsämter auch angesichts wachsenden Personalmangels ihre Schwerpunkte setzen, sei aber nicht vorgeschrieben und letzten Endes von den dort arbeitenden Personen abhängig.

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