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Berlin: Hauptsache billig

Senat schreibt elektrische Versorgung öffentlicher Gebäude aus. Ökostrom ist dabei keine Vorgabe

Die Landesregierung will die öffentlichen Einrichtungen auch künftig mit möglichst billigem Strom versorgen – auch wenn der teils klimaschädlich erzeugt wird. Die Finanzverwaltung von Thilo Sarrazin (SPD) stellte klar, dass bei der Vergabe des Großauftrages „das wirtschaftlichste Angebot zu bevorzugen ist“. Nach Tagesspiegel-Informationen hat sich mit dieser Linie im Senat auch die Umweltverwaltung arrangiert, die Wert auf ökologische Kriterien gelegt hatte. Offenbar soll Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) später mitentscheiden dürfen, welcher Bieter den Zuschlag erhält. Es muss zwar nicht zwangsläufig der billigste sein, aber der Spielraum dürfte wegen der Wirtschaftlichkeitsregel dennoch minimal bleiben.

Noch in diesem Monat soll die Ausschreibung formuliert werden. Sie umfasst acht Einzellose, die alle öffentlichen Einrichtungen von Schulen über Unis und Kliniken bis zur Straßenbeleuchtung umfassen. Umweltverbände und die Grünen fordern, das Land solle explizit Ökostrom ausschreiben. Bei der Größe des Auftrages – die avisierten jeweils 925 Gigawattstunden für die Jahre 2010 bis 2012 entsprechen dem Verbrauch von etwa 330 000 Haushalten – wäre der Effekt gigantisch: Emissionsfrei erzeugter Strom würde Jahr für Jahr gut 400 000 Tonnen CO2-Ausstoß vermeiden.

Aus Sicht des SPD-Umweltexperten Daniel Buchholz „hört sich die Forderung nach Ökostrom gut an, ist aber unrealistisch“. Zum einen sei die riesige Menge kurzfristig kaum zu bekommen, zum anderen habe man sich bereits selbst ökologische Kriterien auferlegt: Atomstrom sei seit Jahren tabu. Der jetzt ausgeschriebene Mix müsse mindestens 20 Prozent Ökostrom enthalten. Weitere 50 Prozent müssten aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) stammen. Diese Technik ist in den Berliner Vattenfall-Kraftwerken Standard. Sie spart Brennstoff, weil die Abwärme der Stromerzeugung als Heizenergie genutzt wird. Für die gleiche Energieausbeute muss also weniger Kohle oder Gas verbrannt werden.

Der Grünen-Energiefachmann Michael Schäfer fürchtet, „dass die Ausschreibung auf Vattenfall zugeschnitten wird, weil sonst niemand in Berlin so günstig KWK-Strom anbieten kann“. Und die 20-prozentige Öko-Quote sei kaum besser als der gesetzlich vorgeschriebene Anteil von zurzeit gut 16 Prozent, der schrittweise steigen soll. Ein kompletter Umstieg Berlins auf Ökostrom dagegen würde nach Schäfers Ansicht den Ausbau erneuerbarer Energien und damit den Klimaschutz massiv voranbringen. Voraussetzung wäre, dass der Strom aus neuen Anlagen stammt. Sonst könnten die Energiekonzerne einfach durch interne Umbuchungen den Berliner Strom als „öko“ deklarieren, indem er beispielsweise einem jahrzehntealten Wasserkraftwerk zugerechnet wird.

Rechtlich wäre eine reine Ökostrom- Ausschreibung zulässig; ein entsprechender Leitfaden findet sich auf den Internetseiten des Bundesumweltministeriums. Die Koalition hatte ursprünglich sogar nicht nur den Atomstrom selbst ausschließen wollen, sondern die Konzerne, die welchen anbieten. Dieser Weg ist aber rechtswidrig, weil er bestimmte Anbieter diskriminiert – beispielsweise Vattenfall. Der Ex-Monopolist gewann bei der letzten Ausschreibung alle Lose. In der Periode davor allerdings, 2005/2006, erhielt Berlin schon einmal Ökostrom. Damals hatte der Anbieter Lichtblick mehrere Lose gewonnen: Der saubere Strom war damals zugleich der günstigste. obs

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