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Berlin: Hausbesetzer im Umzugsstress

Die Belagerer des Bethanien werden geduldet und holen jetzt ihre Möbel nach

Das Bethanien ist jetzt richtig geschrieben. Auf dem Transparent, das über dem Haupteingang des Kreuzberger Künstlerhauses hängt, haben die Besetzer das fehlende „h“ ergänzt. „Ach, das ist doch wirklich nicht so schlimm gewesen“, finden Lisa und Jonas. Sie fungieren als „Sprecher“ der Initiative „Yorck 59“ – den ehemaligen Bewohnern der Yorckstraße 59, die seit gut zwei Wochen das Bethanien belagern. „Die Yorckstraße wird doch auch ständig falsch geschrieben. Sogar von Professoren“, verteidigt Jonas den Fauxpas.

Fehlende Buchstaben sind also das Geringste, worüber sich die rund 60 Belagerer zurzeit Gedanken machen. Viele von ihnen leiden unterm „Umzugsstress“. Seit zwei Wochen kampieren sie nur auf einer Isomatte mit Schlafsack in den besetzten Räumen des Künstlerhauses in der zweiten Etage. Und jetzt, wo sie erst einmal aufatmen können, „holen wir unsere Möbel nach, die wir alle irgendwo in Kellern und Dachkammern bei Freunden untergestellt haben“, sagt Jonas.

Aufatmen können die Belagerer deshalb, weil sie seit vergangenem Mittwoch Gewissheit haben, dass sie geduldet werden: Wenn sie denn die „Duldungsvereinbarung“ mit dem Bezirksamt am 12. Juli unterschreiben. Diese enthält drei wesentliche Bedingungen: Das Bethanien fungiert nur als Zwischennutzung, bis ein neuer Investor den Kaufvertrag mit dem Bezirk unterzeichnet hat. Die Bewohner prüfen derweil die drei alternativen Wohngebäude, die der Bezirk ihnen angeboten hat. Und die Besetzer zahlen während der Zeit der Zwischennutzung die Betriebskosten in Höhe von knapp drei Euro pro Quadratmeter.

Mit diesen Bedingungen könnten die Bewohner leben, sagt Lisa. Wichtig sei, dass sie jetzt eine Perspektive hätten. „Wir sind wie eine Familie, die zusammengehört“, sagt Jonas. Und in den vergangenen zwei Wochen sei die Lage noch zu unübersichtlich gewesen: die vielen Gespräche und die stetige Angst vor einer Räumung. So, wie Anfang Juni: Da war ihr Wohnprojekt „Yorckstraße 59“ von der Polizei geräumt worden. Nach dem Verkauf des Hauses hatten die Bewohner eine Mieterhöhung abgelehnt. Daraufhin setzte der Eigentümer des Gebäudes vor Gericht die Räumung durch. Da diese Gefahr nun vorbei sei, zögen auch die Kinder der Bewohner nach. So wie Jonas’ siebenjährige Tochter. „Vorher war die Lage hier für die Kinder nicht zumutbar“, sagt er.

Unzumutbar fanden den Zustand im Haus auch einige Zivilpolizisten, die sich nach der Besetzung im Künstlerhaus „umgesehen“ haben. „Sodom und Gomorrha“ herrsche dort, hieß es. Über zerborstene Scheiben, Farbschmierereien und aufgebrochene Türen beschwerte sich auch der Leiter des „Künstlerhauses Bethanien GmbH“ bei der Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS). „Wir haben mit allen Projekten hier im Haus geredet und klären nun, ob der Schaden wirklich von uns zu verantworten ist“, sagt Jonas. Am Wochenende der Besetzung habe das ganze Gebäude offen gestanden, so dass jeder Zugang zum Haus hatte. Das ist nun anders. Die Bewohner haben Schlüssel für die Schlösser im Gebäude beantragt. Zutritt haben nur noch „Familienmitglieder“ über den Seiteneingang.

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