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Berlin: Hausverbot für Journalisten: Reichstag empört, Landtag gelassen

Kokainspuren wurden in beiden hohen Häusern gefunden: im Reichstag und im Abgeordnetenhaus. Die Präsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Reinhard Führer (CDU) reagierten allerdings völlig unterschiedlich.

Von Sabine Beikler

Kokainspuren wurden in beiden hohen Häusern gefunden: im Reichstag und im Abgeordnetenhaus. Die Präsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Reinhard Führer (CDU) reagierten allerdings völlig unterschiedlich. Während der Bundestagspräsident Hausverbot für Sat.1-Moderator Ulrich Meyer und Filmautor Martin Lettmayer aussprach, blieb der Präsident des Abgeordnetenhauses, Reinhard Führer (CDU), gelassen. "Unser Haus ist ein offenes Haus." Man müsse schon "massiv stören", sagte Lutz-Peter Düsing, Pressereferats-Leiter, um ein Hausverbot zu bekommen.

Alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses halten die Tradition des "offenen Hauses" hoch. Die Reaktion des Bundestagspräsidenten Thierse, für Journalisten ein Hausverbot zu erteilen, teilen weder SPD, CDU, PDS noch die Grünen. Ulrich Meyer, Moderator der Sat.1-Sendung "Akte 2000" sagte gestern, er sehe das Hausverbot als "Willkürakt und unpassende Reaktion" an. Er stünde zu Kritik, ein Gespräch mit ihm sei nur nicht gesucht worden. Meyer sagte, er habe das Gefühl, dass die gefundenen Kokainspuren "jetzt im märkischen Sand unter dem Reichstag versickern sollen". Außerdem sei das ein "Angriff auf die Pressefreiheit".

Das sieht die Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Tissy Bruns, nicht anders: "Verbote vertragen sich nicht mit der Pressefreiheit. Die Bundespressekonferenz spricht sich entschieden gegen das von Bundestagspräsident Thierse verhängte Hausverbot für Meyer und Lettmayer aus."

Seit dem Einzug ins Abgeordnetenhaus am 28. April 1993 haben die Präsidenten kein Hausverbot für das Parlamentsgebäude verhängt. Es gebe aber schon Vorfälle, wo laut Düsing "Bürger mit einem höheren Alkoholpegel durch die Gänge wanken", Querulanten die Verwaltungs- oder Fraktionsmitarbeiter auf das Übelste beschimpfen und auch Sitzungen gestört werden. Dann werde der hauseigene Ordnungsdienst gerufen, der laut Paragraph 2 der Hausordnung befugt ist, "die Personalien von Störern festzustellen sowie Störer aus den Räumen des Abgeordnetenhauses zu weisen und erforderlichenfalls zu entfernen".

Wer Plenarsitzungen besucht, muss sich auf Verlangen ausweisen und Berechtigungskarten vorzeigen können. Bei einer "erhöhten Sicherheitsstufe" wie zum Beispiel nach Ankündigung einer Demonstration Richtung Abgeordnetenhaus kann der Präsident besondere Maßnahmen treffen: Betreten des Hauses nur nach Taschenkontrolle, Leibesvisitation oder auch das Abgeben von Gegenständen an der Garderobe. Das Abgeordnetenhaus will das Gebäude aber so offen wie möglich halten: "Wir wollen Schwellenangst überwinden. Jeder darf hier durchspazieren. Hier sitzen ja ihre gewählten Vertreter", sagte Düsing. Selbst Anarchist Fritz Teufel konnte einst über Stühle auf die Parlamentarier zuspringen: Er wurde "eingefangen und friedlich rausgeführt".

Im vergangenen Jahr wurden 22 689 Besucher gezählt, die an organisierten Führungen teilgenommen hatten. Der freie Zugang des Hauses aber beschert so manchem unangenehme Überraschungen. SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller erinnert sich an "die alten, dreckigen Unterhosen, die vor ein paar Jahren an etlichen Türklinken hingen". Auch Türschlösser wurden schon einmal mit Spezialkleber demoliert.

Einige Politiker und "Personen der Öffentlichkeit" können allerdings in Gefahrensituationen einen versteckten Alarmknopf drücken. Innerhalb einer halben Minute stünden dann Beamte der im Hause ansässigen Polizeiwache mit "gezückter Schusswaffe", so Stadtmüller, im Zimmer.

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