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Hebamme mit Gehilfin. Die Puppe Emma nimmt Christiane Klimisch oft mit zu Patientinnen. Im Hintergrund ist ihr Banner für die Demonstration zu sehen.

© Thilo Rückeis

Hebamme: Einsatz am Wochenbett

Christiane Klimisch hat hunderte Babys auf die Welt geholt. Am heutigen Mittwoch ist der Tag der Hebamme.

Von hinten sieht Emma fast wie ein richtiges Baby aus. „Meine Gehilfin“, sagt Christiane Klimisch lachend und nimmt die Stoffpuppe im Schlafsack auf den Schoß. Die 41-Jährige und ihre Kolleginnen werden am heutigen Mittwoch gefeiert: Es ist der „internationale Tag der Hebamme“. Rund 700 Freiberuflerinnen wie sie gibt es in Berlin. Ein sehr anerkannter Beruf, oder? „Wir werden von allen immer unheimlich geschätzt, aber trotzdem superschlecht bezahlt“, sagt Christiane Klimisch, die beim Gespräch in ihrem Arbeitszimmer in ihrer Kreuzberger Wohnung auf dem Teppich kniet.

Das ist die Position, in der sie sonst Kinder auf die Welt holt – meist vier pro Monat, für die sie auch die Vor- und Nachsorge macht. 537 Euro bekommt sie für eine Hausgeburt. Darauf hat sie sich spezialisiert. Rund 100 Kinder hat sie so schon auf die Welt geholt, und noch viel mehr in den Jahren vorher, als sie noch im Krankenhaus arbeitete. „Da habe ich irgendwann aufgehört zu zählen.“ Zusätzlich betreut sie weitere Kinder und Mütter vor und nach Geburten.

Vorsorgeuntersuchungen mit Emma als Anschauungsobjekt finden zu normalen Tageszeiten statt – die Puppe hat also entspannte „Arbeitszeiten“. Ganz anders ihre „Chefin“. Die ist 24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche im Einsatz. In der vergangenen Nacht rief um zwei Uhr morgens eine verzweifelte Patientin an und bat um Rat. Um kurz vor acht dann der erste reguläre Termin: Die Hebamme besuchte den zwei Wochen alten Justin und seine Mutter, eine Nigerianerin mit unsicherem Aufenthaltstitel, die nur wenig deutsch kann. Ihre Kaiserschnittnaht verheilt nicht richtig und Justin hat immerzu Bauchschmerzen. Um halb zwölf ist die nächste Vorsorge, den Rest des Tages wird es so weitergehen. Die Hebamme arbeitet durchschnittlich zehn Stunden am Tag, bei Geburten ist sie manchmal bis zu 40 Stunden ununterbrochen im Einsatz. Ein harter Job. Die meisten machen ihn aus Leidenschaft: „Es ist einfach ein wunderbarer Moment, wenn eine Frau ein Kind gebärt“, sagt Christiane Klimisch mit feierlicher Stimme.

Wegen des Geldes wird wohl niemand Hebamme: 7,50 Euro Netto-Stundenlohn bekämen sie im Durchschnitt, sagt Ulrike von Haldenwang, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes: „Wir sind seit Jahrzehnten unterbezahlt. Aber jetzt kracht alles zusammen.“ Jetzt – das ist der 1. Juli. Von diesem Tag an müssen die Hebammen für ihre vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung fast doppelt so viel zahlen wie vorher: rund 3700 Euro im Jahr. Das verringere ihren Stundenlohn bei einer Hausgeburt auf knapp fünf Euro, rechnet Christiane Klimisch vor. „Zum Glück ist mein Mann Lehrer, sonst könnte ich so nicht weitermachen.“

Aber nicht alle Hebammen haben einen gut verdienenden Partner im Hintergrund: „Wir können es uns nach der Erhöhung keine Geburten mehr leisten“, sagt Katja Staiger-Beith vom Geburtshaus Pankow – dem kleinsten in Berlin. „Hebammen arbeiten oft für Ruhm und Ehre. Aber wir müssen Familien ernähren.“ Ab Juli wollen die Hebammen im Geburtshaus nur noch Vor- und Nachsorge anbieten. Die hohe Haftpflichtversicherung brauchen sie dann nicht. Ein bisschen hoffen sie aber noch, dass es nicht so kommt: Denn am heutigen Tag der Hebamme starten sie eine elektronische Petition an den Bundestag. Außerdem treffen sich die Geburtshelferinnen und Mütter zur Demonstration vor dem Virchow-Klinikum in Wedding. Christiane Klimisch fährt nicht nur dorthin, um zu protestieren. „Ich will auch eine Patientin besuchen.“

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