zum Hauptinhalt

Berlin: Heimatklänge

Tim Renner produziert Musik und Ideen. Und heute auch ein Festival mit Bands, die auf Deutsch singen

Berlin-Mitte, ein Loft im Hinterhaus. Die Tür steht offen, Dielenboden, ein paar Schreibtische im Raum, die Mitarbeiter laufen barfuß. Auf der Küchentheke stehen Töpfe mit Basilikum. Die New-Economy lebt. In der Ecke hinter der Glastür: das Büro von Tim Renner.

Tim Renner, 41, war mal Chef des Musik-Unternehmens Universal. Das ist jetzt zwei Jahre her. Heute ist er Chef des Unternehmens Motor. Seine Firma, ein Label und Musikverlag, betreibt den Radiosender Motor FM, das Webportal motor.de und in Kürze auch einen eigenen Musiksender im Fernsehen. Am heutigen Freitagnachmittag lädt Motor zum Festival auf die Insel der Jugend in Treptow. Es spielen: das Kölner Trio Klee, die Motor-Band Super700, Madsen und die Berliner Jungs von „Virginia Jetzt!“. Junge deutsche Rockbands, die auf Deutsch singen. Aber das ist schon lange kein Grund zur Aufregung mehr.

Unaufgeregt sei der Umgang mit der deutschen Sprache und der deutschen Musik mittlerweile, findet Tim Renner. Nicht mehr nach dem Motto „Huch, ich sing jetzt Deutsch, sondern: Ja mei, ich spreche diese Sprache, deswegen ist es logisch, dass ich sie auch singe.“ Die neue deutsche Musik sei erwachsen geworden. Und Deutschland endlich bei sich angekommen. „Es gibt keine vorgegebene deutsche Kultur, sondern eine Gemeinschaft von Menschen, die mit dem gleichen Sozial- und Bildungssystem und der gleichen Sprache aufgewachsen ist und deswegen klingt ihre Kunst wie sie klingt.“

Er sitzt in seinem Büro. Auf dem Schreibtisch CD-Stapel, an der Wand lehnt eine Platte von Peter Licht. Tim Renner, hat man den Eindruck, ist einer der ständig neue Ideen produziert und Spaß daran hat. Ein Workaholic, dem es noch nicht mal auffällt. „Mein Problem ist eher, von den Sachen, die ich gerne angehen würde, mindestens die Hälfte zu streichen. Die Gefahr ist, dass man den Laden total überfrachtet.“ Und manchmal im Kopf schon zwei Wochen weiter ist. Festival? Welches Festival?

Sein Handy klingelt, er legt es zur Seite. Er sei kein „Multitasker“, sagt er, der tausend Dinge parallel machen könne, aber er liebe es, die Option zu haben. Und die habe man heutzutage, besonders in der Wahl der Medien.

„Mit dem Internet ist alles zusammengewachsen. Früher gab es Fernsehen zum Gucken, Radio zum Hören und Print, wenn man etwas lesen wollte. Jetzt kann man all das zusammen haben, also muss ich auch all das liefern.“ Die Lieder von Motor FM kann man sich im Internet herunterladen, und auch bei dem neuen Musiksender soll nicht der Moderator die Infos geben, sondern das Internet. Anklickbar. Wenn man will. Der Konsument entscheidet selbst, worüber er mehr wissen will und von wem. So das Motto von Motor. Ein Festival scheint dagegen fast altmodisch. Der große Vorteil des Webs sei es, Menschen mit den exotischsten Leidenschaften zusammenbringen zu können. Der Riesen-Nachteil, dass es kalt bleibe, sagt Tim Renner und meint damit: Leblos, ohne physischen Kontakt. Und darum deckt Motor auch noch dieses Feld ab. Mit Clubabenden und Sessions in Berlin und einem Festival wie heute. Mitten in der Stadt und unter freiem Himmel. Vor ein paar Tagen sei er zum ersten Mal auf der Insel gewesen, sagt Tim Renner, um zu sehen ob man das da überhaupt machen kann. Da war er eigentlich schon wieder ein paar Schritte weiter voraus gewesen.

Für das Foto gehen wir hinaus in den Hinterhof. Er erzählt, wie er als Kind, weil sein Vater einen Bibelverlag hatte, von Berlin nach Hamburg gezogen ist. Zurück in Berlin habe er vor allem eins gemerkt. In Hamburg muss man etwas real gebacken kriegen, in Berlin sei man schon der Held, wenn man nur von seinen Ideen erzählt.

Johanna Lühr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false