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Lange Leitung. Fernwärme für 1,2 Millionen Wohnungen wird in Berlin durch rund 1750 Kilometer Rohre transportiert. Foto: dpa

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Berlin: Heiß begehrt

Um die Zukunft des profitablen Berliner Fernwärmenetzes wird heftig gestritten. Vattenfall will es behalten.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Kochend heißes Wasser wird unter Druck durch 1750 Kilometer Rohre gepumpt, um in der kalten Jahreszeit fast 1,2 Millionen Wohnungen kuschelig aufzuwärmen. Das Berliner Fernwärmenetz ist das größte im westlichen Europa, das seine Energie aus der Abwärme von Heizkraftwerken bezieht. Ein umweltfreundliches und hoch effizientes Verfahren, das geradezu danach schreit, klimapolitisch gesteuert zu werden.

Aber dieses Netz wird in Berlin vom Energiekonzern Vattenfall betrieben, der es auch behalten will. Und im öffentlichen Streit um die Frage, ob der Vertrieb von Strom und Gas von der öffentlichen Hand übernommen werden soll, spielt die Zukunft der Fernwärme bisher kaum eine Rolle. Obwohl es ein ausbaufähiges Netz ist, das nicht nur große Kraftwerke, sondern auch dezentral produzierte Wärme einbeziehen könnte. Und deren Energie in der Regel umweltschonender produziert wird als in konventionellen, mit Öl, Kohle oder Gas gespeisten häuslichen Heizanlagen. Zudem ist das Geschäft mit der Fernwärme ziemlich profitabel. Gewinne von 50 bis 60 Millionen Euro erzielt Vattenfall in Berlin und Hamburg in dieser Sparte jährlich.

Nicht nur bei Grünen und Linken, sondern auch in der SPD gibt es deshalb Überlegungen, künftig eine Art Wärmekonzession zu vergeben. Also das kostenpflichtige Wegerecht für die Fernwärmeleitungen im städtischen Kanalnetz selbstständig zu vergeben. Bislang war es an die Stromkonzession gekoppelt. In öffentlich-privater Kooperation mit Vattenfall oder komplett in Landesregie.

Der Haken an der Geschichte ist: Das Geschäft mit der Heizwärme ist juristisch unübersichtlich. Es besteht die Gefahr, dass sich Gerichte mit dem Thema befassen müssen. Außerdem bieten in Berlin neben Vattenfall noch etwa 40 kleine Netzbetreiber Fernwärme an. Wie soll sich der Senat mit allen einigen? Derzeit versuchen die fachlich zuständigen Senatoren Ulrich Nußbaum (Finanzen, parteilos) und Michael Müller (Stadtentwicklung, SPD), eine gemeinsame Strategie zu finden.

Das größte Problem dabei ist, dass es keine bundesgesetzlichen Regelungen für das Fernwärmenetz gibt. Im Gegensatz zu Strom und Gas, deren Verteilung auf nationaler Ebene streng reguliert ist. Der Konzessionsvertrag mit Vattenfall, der noch mit dem Vorgänger Bewag abgeschlossen wurde, gilt trotzdem für „die Netze für Strom und Wärme“. Endet also mit diesem Vertrag, der Ende 2014 ausläuft, auch die Sondernutzungserlaubnis, Wärmeleitungen im öffentlichen Straßenraum privat zu nutzen? Ebenso wie Vattenfall geht die Finanzverwaltung von einer unbefristeten Nutzungserlaubnis aus. Diese Rechtsauffassung ist aber senatsintern umstritten. Gesucht wird deshalb nach einem Kompromiss.

In einer vertraulichen Sitzung des Hauptausschusses schlug die Finanz- Staatssekretärin Margaretha Sudhoff vor, im Zusammenspiel mit den Bezirken ein neues, einheitliches Sondernutzungsrecht für Fernwärme im öffentlichen Straßenraum für alle Netzbetreiber zu entwickeln. Die Gebühreneinnahmen könnten den Bezirken zufließen. Christian Gäbler, Staatssekretär in der Stadtentwicklungsbehörde, favorisiert ebenfalls eine solche straßenrechtliche Lösung.

Der ehemalige Wirtschaftssenator und Linken-Abgeordnete Harald Wolf schlug ergänzend vor, wegen der „rechtlich unsicheren Situation“ beim Thema Fernwärme in Gesprächen mit Vattenfall eine „friedlich-schiedliche“ Lösung zu finden. Bliebe der Energiekonzern über 2014 hinaus am Wärmenetz beteiligt, könnte er im Gegenzug Beschäftigungsgarantien abgeben oder zusagen, langfristig am Standort Berlin festzuhalten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Im laufenden Vergabeverfahren für das Stromnetz sind solche Nebenabreden nämlich streng verboten.

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