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Berlin: Heiße Hits mit Knoblauchsoße

Ob Döner-Lounge oder Küchenstudio der Ladenhüter: Am Schlesischen Tor hat sich eine neue Ausgehszene entwickelt

Der Duft von Bratfett liegt in der Luft. Gekonnt schneidet ein freundlicher Mann dünne Fleischscheiben vom Dönerspieß, während die Neonröhren die Imbissbesucher in grelles Licht tauchen. Auf der Straße sitzen junge Menschen auf wackeligen Plastikstühlen und trinken Dosenbier. Wer aber den Dönerladen in der Cuvrystraße betritt, wird überrascht sein: Aus dem Hinterzimmer schallen Housebeats, und schemenhaft sind tanzende Nachtschwärmer zu erkennen. Jeden Donnerstag und Freitag wird der Grillimbiss zur „Döner-Lounge“.

Die Veranstalter haben sich zu einem „Dönerkulturverein“ zusammengeschlossen und setzen auf jene Reize, die das Ausgehen rund um das Schlesische Tor attraktiv machen: angesagte Musik und Kreuzberger Ursprünglichkeit. Das Publikum wohnt zum größten Teil um die Ecke und ist von der Idee begeistert: „Ich freue mich, dass ich einfach aus der Haustür treten kann und mitten im Geschehen lande“, sagt Alexander, 31, der gegenüber wohnt. Auch die 29-jährige Nina wohnt und feiert gerne in ihrem Kiez, denn „hier ist es noch nicht so homogen wie in Mitte oder Prenzlauer Berg“. Die vielen Nachtschwärmer betrachtet sie mit Skepsis: „Bei bestimmten Leuten würde ich mir wünschen, dass sie nicht herkommen, obwohl es amüsant ist, die Fashion Victims zu beobachten.“ Ihre Befürchtungen, dass der Kiez seine Ursprünglichkeit verlieren könnte, kommen nicht von ungefähr. Günstige Gewerbemieten und die Lage an der Spree locken immer mehr Agenturen und Firmen hierher. Der Wrangelkiez, lange Zeit berüchtigt für soziale Spannungen, befindet sich im Wandel.

Neben zahlreichen Restaurants eröffnen auch neue Bars: zum Beispiel das „Careca“ in der Falckensteinstraße. Der Besitzer namens Jackie hat die letzten Monate damit verbracht, aus einem Blumenladen eine Cocktailbar zu machen. Für den gebürtigen Kreuzberger ist der Boom im Kiez nichts Überraschendes: „Es fängt immer in Kreuzberg an, ob Love Parade oder Nina Hagen“, sagt der 32-Jährige. Auch er hofft, dass die Atmosphäre in der Gegend so bleibt: „International, abgefuckt, individuell.“ Zustände wie in der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain, wo sich Wirte und Bewohner über Kneipenlärm streiten, befürchtet er nicht: „Kreuzberger machen keinen Stress.“

Ähnlich sieht es André Diakite, der bereits früh auf den Standort und auf gehobene Gastronomie gesetzt hat. Seit sechs Jahren betreibt er die „Cafébar“. „Während der New Economy haben viele Leute auf Neoyuppie gemacht. Das ist in Berlin aber nicht angesagt“, sagt der 36-Jährige. Auch wenn der Barmann die wachsende Konkurrenz zu spüren bekommt, kann er der Entwicklung etwas Positives abgewinnen. „Auf lange Sicht ist das gut für den Kiez.“ Noch ist die Szene klein, die sich ums Schlesische Tor ansiedelt. Aber es gibt genügend Leerstand.

Dies kam der „Waldohreule“ zupass, die vor ein paar Wochen in der Köpenicker Straße eröffnete. Zwei junge Hessen haben hier den Traum einer eigenen Bar verwirklicht. Abends trifft sich ein studentisches Stammpublikum bei Äppelwoi und Bier. Ein paar Meter weiter bieten die „Ladenhüter“ in ihrem „Küchenstudio“ jungen Künstlern Platz für Ausstellungen. Auch wenn manches unfertig wirkt und die schlechte Sozialstruktur nicht der Vergangenheit angehört: Der Wrangelkiez ist in Bewegung. André Diakite sieht der Zukunft gespannt entgegen: „Wenn sich die richtigen Leute halten können, dann wird es hier echt schön.“

Döner-Lounge (Do. und Fr. ab 21 Uhr), Schlesische Straße / Ecke Cuvrystraße, www.doener-lounge.de ; Careca, Falckensteinstraße 42; Cafébar, Wrangelstraße 96; Waldohreule, Köpenicker Straße 194; Küchenstudio der Ladenhüter, Schlesische Straße 38

Lukas-Christian Fischer

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