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Berlin: Heiße Weihnachten auf der „Berlin“

Das Bundeswehrschiff mit dem Hauptstadtnamen liegt am Horn von Afrika – und die Soldaten schwitzen

Ganz schön was los auf dem „Potsdamer Platz“ am Horn von Afrika. Da huschen Soldaten hin und her, übernehmen Waren, löschen Ladung. Potsdamer Platz – so heißt ein Gang auf dem Versorgungsschiff „Berlin“, das seit November und noch bis Mitte April vor Dschibuti in Ostafrika kreuzt. An Bord des Einsatzgruppenversorgers der Marine sind 210 Mann und Frau Besatzung, darunter etliche Soldaten aus der Stadt, nach der „Berlin“ benannt ist. Mike Deckert aus Marzahn zum Beispiel. Der 21-jährige Hauptgefreiter ist zu Weihnachten in der Hitze, weil er nach dem Abitur was Praktisches machen wollte – „und die Welt sehen“, wie er am Telefon an Bord sagt. Ab Oktober will Mike Wirtschaftsinformatik an der FHTW studieren. An Bord des Versorgers ist Deckert Logistiker, „wir haben gerade Inventur, da ist eine Menge zu checken.“

Die „Berlin“ ist Teil des Anti-Terroreinsatzes „Enduring Freedom“. Sie versorgt die multinationale Flotte am Horn von Afrika etwa mit Dieselkraftstoff. Die Truppen zur See kontrollierten Boote, um sicherzustellen, dass durch Suezkanal, Rotes Meer und den Persischen Golf keine Waffen oder Terroristen kommen, sagt Kurt Leonards, Sprecher der Bundesmarine in Dschibuti-Stadt. Das Entwicklungsland zwischen Eritrea, Äthiopien und Somalia ist ehemalige französische Kolonie; noch heute sind dort 2500 Franzosen teils mit Familie stationiert.

Wenn Deckert frei hat, bleibt er meist an Bord der „Berlin“ – auf dem schwimmenden Giganten gibt es auch eine Sauna, einen Fitnessraum, eine Bibliothek. Das Schiff ist mit seinen 174 Meter Länge das größte der Marine, da dienen Plätze und Tafeln mit Berlin-Bezug wohl auch zur Orientierung: Das Schild „Flughafen Tegel“ hat der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen 2001 selbst angeschraubt. Einen „Alexanderplatz“ gibt es auch – hinter der Brücke.

Mike Deckert geht lieber ins Internet als an Land: Der Marzahner mailt täglich mit seiner Freundin Christina in Prenzlauer Berg. Das Weihnachtsfest war eine Doppelpremiere : zum ersten Mal nicht zu Hause bei Mutter und Schwester, zum ersten Mal Besinnlichkeit und Christbaum bei 25 Grad im Schatten. Immerhin kam ein Paket aus der Heimat: „Da waren ein Stoffelch, Schokolade und Bücher drin.“ Mehr als Süßigkeiten vermisst Deckert ein bisschen Privatsphäre: Die Soldaten wohnen zu viert in einer Zehn-Quadratmeter-Kabine. Ins neue Jahr feiern die Soldaten vor Dschibuti drei Stunden eher als in Berlin. Zwei Bier sind erlaubt, vielleicht gibt es sogar Feuerwerk. Je nach Position des Schiffes, damit man die Lichter nicht für ein Seesignal hält. Dann ist es noch immer ein gutes Vierteljahr hin bis zum Spaziergang über den wahren Potsdamer Platz.

Annette Kögel

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