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Heizpilz-Verbot: Klimaschutz vor der Kneipe

Fünf Innenstadtbezirke haben sich auf ein Heizpilzverbot vor Gaststätten zum Jahreswechsel geeinigt. Gemeinsam wollen sie auch gegen den Wildwuchs der Schankvorgärten und blockierte Gehwege vorgehen.

Es ist wieder Heizpilzsaison. Während der Herbstwind kalt um die Ecken und durch die Jacken fährt, bollern vor den Restaurants die Terrassenstrahler. Allerdings nicht mehr lange, denn nach vielen Diskussionen haben sich nun fünf Innenstadtbezirke auf ein Verbot der Klimakillerpilze ab Januar geeinigt.

Als entscheidendes Argument sehen die Ämter den Klimaschutz: Je nach Nutzung dürfte jeder der schätzungsweise 5000 propanbetriebenen Strahler in der Stadt übers Jahr betrachtet so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen wie ein Auto. Das wollen die Bezirkspolitiker in Zeiten des Klimawandels nicht mehr akzeptieren. „Ab 1. Januar ist damit Schluss“, sagt Peter Beckers (SPD), Bezirksstadtrat für Wirtschaft und öffentliche Ordnung in Friedrichshain-Kreuzberg. „Es ist absurd, in Norddeutschland ein Klima wie am Mittelmeer vorzugaukeln.“ Beckers’ Kollegen in Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg sehen das genauso. Und der Pankower Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), der das Heizen der Außenluft schlicht „pervers“ findet, hat den Kampf gegen die Wärmestrahler schon im Februar aufgenommen.

Die Bezirke haben nicht nur das Verbot der Heizpilze abgestimmt, sondern sich auch mit dem Wildwuchs der Schankvorgärten insgesamt befasst. Man habe sich auf eine Vielzahl einheitlicher Regeln für die gastronomische Nutzung von Bürgersteigen verständigt, berichtet der intern zum Sprecher erkorene Bezirksstadtrat aus Charlottenburg-Wilmersdorf, Marc Schulte (SPD). Im gemeinsamen Entwurf sei beispielsweise vorgesehen, dass – wie von Behindertenvertretern gefordert – ein mindestens 1,50 Meter breiter Streifen für Fußgänger frei bleiben müsse, erläutert Kollege Kirchner. Blumenkübel sollen künftig nur noch einen Durchmesser von höchstens 60 Zentimetern haben dürfen, Schirme ohne technische Hilfsmittel auf- und zugeklappt werden können. Diese Pläne müssen nun noch in den einzelnen Bezirken bestätigt werden, wofür sich die Runde der Stadträte den 14. November als Termin gesetzt hat.

Die Regeln gelten für Lokalflächen auf öffentlichem Straßenland. In Pankow müssen sich Wirte schon seit Jahresbeginn verpflichten, keine Heizpilze auf öffentliche Flächen zu stellen – sonst bekommen sie keine Nutzungserlaubnis. Verschwunden sind die Umweltschädlinge bislang aber nicht: Zum einen heizen noch viele Wirte mit älteren Genehmigungen legal. Laut Kirchner laufen diese Bescheide allesamt zum Jahresende aus. Anderswo glühen die Strahler ohne Erlaubnis. Gegen zehn Wirte aus Prenzlauer Berg – vor allem um Helmholtz- und Kollwitzplatz – laufen Ordnungswidrigkeitsverfahren. Ähnliches droht widerspenstigen Wirten ab Januar auch anderswo. Stadtrat Beckers aus Friedrichshain-Kreuzberg kündigt scharfe Kontrollen durch das Ordnungsamt ab Neujahr an. Schon jetzt würden die Wirte über die neuen Bestimmungen informiert.

Die fünf Bezirke handeln auch aus Ungeduld gegenüber dem Senat. Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) hatte ein landesweites Verbot lange für rechtlich problematisch erklärt. Anfang September sagte sie dann, eine berlinweite Regelung – vermutlich über das in Arbeit befindliche Klimaschutzgesetz – werde geprüft. Jetzt heißt es aus ihrer Verwaltung, die Prüfung solle „so schnell wie möglich“ abgeschlossen werden. Schulte stellt in Aussicht, dass die Bezirke im Falle einer Landesregelung ihren Alleingang stoppen könnten. Ohnehin hätte man am liebsten alle Bezirke an Bord. Aber: „Neukölln will abwarten, Steglitz-Zehlendorf setzt auf Freiwilligkeit, und Bezirke wie Marzahn-Hellerdorf sehen das Problem nicht“, sagt Beckers.

Den Heizpilzkritikern ist auch deshalb so sehr an einer einheitlichen Regelung gelegen, weil der Berliner Hotel- und Gaststättenverband in ihren Plänen eine Wettbewerbsverzerrung sieht. Vizepräsident Klaus-Dieter Richter glaubt einerseits an Einsicht und guten Willen der Wirte, Heizpilze nur maßvoll und auf ausdrücklichen Wunsch der Gäste anzustellen. Andererseits sieht er eine Schieflage, weil Eigentümer von Biergärten auf privaten Grundstücken weiter die Luft heizen dürfen. „Wenn ein Wirt klagen will, stehen wir auf alle Fälle beratend zur Seite“, sagt Richter. Einige Gaststätten haben sich bereits eine Alternative zum Heizpilz gesucht – allerdings nicht die von den Bezirksstadträten empfohlenen Wolldecken, sondern Strahler mit Wandbefestigung. So umgehen sie die Nutzungsvorgaben fürs Straßenland. Beckers berichtet von einem solchen Fall aus der Wiener Straße. Seinem Kollegen Kirchner sind aus Pankow ähnliche Beispiele bekannt. Man müsse erst prüfen, ob man etwa mit Hilfe der Bauaufsicht dagegen vorgehen könne.

Nach Meinung anderer Fachleute und der Grünen ließe sich die ganze Verwirrung übers Klimaschutzgesetz sehr einfach beseitigen: Der auf Umweltrecht spezialisierte Professor Stefan Klinski von der Fachhochschule für Wirtschaft würde einfach den Satz ins Gesetz schreiben: „Die Beheizung von Freiflächen ist verboten.“ Nur eine Übergangsfrist sei notwendig, damit die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe.

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