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© ddp

Heizpilze: Neue Klima-Killer für das Sommer-Feeling

Heizpilze sind verboten, die Kontrollen zeigen Wirkung, doch Wirte tricksen – zum Beispiel mit geschickt an Außenwände montierten elektrischen Strahlern.

Im vergangenen Winter schossen die Heizpilze nur so aus dem Boden: Vergnügungsmeilen wie die Simon-Dach-Straße in Friedrichshain waren von den Wärmespendern gesäumt und sahen aus wie Alleen aus Metallpfählen und Gaskartuschen. Seit dem ersten Januar dieses Jahres ist Schluss damit – zumindest in fünf City-Bezirken. Pankow, Mitte, Schöneberg/Tempelhof, Charlottenburg und Kreuzberg/Friedrichshain haben die gasbetriebenen Standgeräte auf öffentlichem Straßenland wegen des hohen Kohlendioxid-Ausstoßes verboten.

Kontrollen werden durchgeführt, die Bilanz ist inzwischen fast überall positiv: Heizpilze sehe man nur noch selten, heißt es. Einzig in Mitte beklagt Stadtrat Carsten Spallek (CDU) die „Uneinsichtigkeit“ vieler Gastronomen. Von 51 in diesem Jahr in Mitte überprüften Betrieben hätten 21 gegen das Verbot verstoßen.

Die Lokalbetreiber müssen nun Bußgelder in Höhe von 50 bis 200 Euro zahlen. Spallek: „Vielen Gastronomen tut das nicht weh. Sie kalkulieren dieses Risiko ein, weil ihnen der Umsatz, so lange die Heizpilze laufen, weitaus mehr einbringt.“ Außerdem wüssten sie, dass der Bezirk wegen des Personalmangels nur selten kontrollieren könne.

Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner in Pankow sieht die Situation dagegen optimistisch. Das Meinungsbild der Gastronomen habe sich gewandelt, sagt er: „Ein Drittel hält das Verbot für bescheuert, ein Drittel ist gleichgültig – aber der Rest erleichtert.“ Denn das Beheizen der Außenluft ist teuer. Weniger betuchte Gastronomen nehmen diese Belastung nur in Kauf, weil sie nicht hinter der Konkurrenz zurückstehen wollen.

Wo früher die Pilze strahlten, liegen nun vielerorts wärmende Decken für Raucher und Frischluft-Fanatiker bereit. Problem gelöst? Keineswegs. Das Verbot der Heizpilze gilt bisher nur auf öffentlichem Straßenland, ausgenommen sind Privatflächen. Auf dem Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei beispielsweise kann man seinen Glühwein immer noch unterm Glühpilz genießen. Als private Standorte gelten auch Innenhöfe oder Terrassen. Und wird ein Strahler an der Außenwand eines Lokales angebracht, so ist das gleichfalls legitim, obwohl er Tische auf dem Bürgersteig wärmt. Hauptsache, er steht nicht dort.

Dank dieses Tricks etabliert sich nun eine neue Generation von Heizstrahlern und ermöglicht gleichfalls ein ganzjähriges mediterranes Lebensgefühl: Es sind geschickt an die Außenwände montierte elektrische Strahler. Diese stehen jedoch der miserablen Klimabilanz ihrer pilzförmigen Vorfahren in nichts nach. Wahre Stromfresser seien das, sagt Carmen Schultze vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Der CO2-Ausstoß durch den Betrieb von Elektroheizern dürfte wegen der hohen Energieverluste im Kraftwerk im Endeffekt mehr als doppelt so hoch sein wie bei den gasbetriebenen Heizpilzen. So bleibe zwar die Feinstaubbelastung durch die Pilze aus, die Klimabilanz aber sei ebenso verheerend.

Dennoch sind die Elektroheizer in Prenzlauer Berg, nur wenige Meter vom Ökomarkt am Kollwitzplatz entfernt, hoch im Kurs: An den Markisen des Cafés „Anna Blume“, wo trend- und vermeintlich umweltbewusste Kiezbewohner gerne ihren Kaffee in der Winterluft trinken, prangt eine doppelreihige Armada von Elektroheizern. Man passe sich den Wünschen der Gäste an, sagt ein Angestellter. Direkt gegenüber präsentiert sich das „Sowohl als auch“ ebenfalls gut bestückt. Eine Kellnerin zuckt mit den Schultern: „Ist halt schöner, so warm.“

Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, fehlt dafür jedes Verständnis. Es sei alles eine Frage des Lebensstils, sagt die Abgeordnete, die 2008 mit „Giftpilz“-Postkarten über die Umweltsünder informierte. Und Pankows Stadtrat Kirchner erzählt spöttisch von Gastronomen, die ihm ihre Verträge mit dem Stromanbieter „Lichtblick“ zuschicken, um sich reinzuwaschen. Dass ein stadtweites Verbot noch immer nicht eingeführt wurde, ärgert beide Politiker. Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) will das Verbot ans neue Klimaschutzgesetz koppeln. Dieses verzögert sich aber. So gilt das Pilzverbot weiterhin nur in fünf Bezirken und dort auch nur für Standgeräte auf Straßenland – bis mit dem neuen Gesetz das Beheizen des öffentlichen Raumes generell untersagt wird - und dann auch die Elektroheizer wieder abgeschraubt werden müssen.

Angesichts der bedrohlichen Klimaprognosen sollte das schnellstens geschehen, mahnen Umweltschützer. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Versprechen eines Berliner Heizstrahler-Verleihs auch ohne seine Pilze in Erfüllung geht: „Bei uns ist immer Sommer!“

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