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Helfen trotz Kälte: Helden des Winters

Sie halten die Stellung trotz Eises und Schnees – und verbreiten das wohlige Gefühl der Geborgenheit: Unsere Helden des Berliner Winters. S-Bahn- und BSR-Leute durften leider nicht dabei sein.

Gegen Kälte, Schnee und glatte Wege kommen Kehrmaschinen allein nicht an. Und auch auf Weichenheizungen ist nicht immer Verlass. In diesen Wintertagen wird deutlich, wie sehr wir auf die menschlichen Helfer angewiesen sind, die trotz Eis und Schneebergen die Stellung halten. Gerne hätten wir an dieser Stelle auch einen der vielen Helfer der Stadtreinigung oder der S-Bahn vorgestellt. Aber beide Unternehmen weigerten sich, den Kontakt zu Mitarbeitern herzustellen – aus welchem Grund auch immer. Doch auch an anderen Orten der Stadt haben wir Weihnachtsengel entdeckt.

DER GEWISSENSMAHNER

Mario Tremmel (24), Promoter für gemeinnützige Vereine, steht in orangefarbenem Overall auf dem Alexanderplatz. Neben festlich geschmückten Weihnachtsbuden wirbt er um Unterstützung für die Hilfsorganisation Amnesty International. „Wenn ich es nicht mache, wer würde es dann tun?“ Seit sechs Jahren arbeitet er hauptberuflich draußen, sommers wie winters, um für gemeinnützige Vereine Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Schnee und Kälte halten ihn nicht von der Arbeit ab, denn „soziales Engagement hört bei schlechtem Wetter nicht auf.“ Dafür steht er jeden Wochentag acht Stunden im Freien, kommt erst nach Hause, wenn es dunkel ist. Neben der Moral helfen ihm zwei Pullover, drei Strickjacken, eine lange Unterhose, eine Jeans, darüber eine Jogginghose, Mütze, Handschuhe und zwei Paar Socken, zwischen die er sich nachmittags noch Wärmepads hineinklemmt – und seine gute Laune. „Wenn man Spaß hat, dann hat man auch Erfolg bei den Leuten. Ohne Spaß geht’s einfach nicht.“

DER ORDNUNGSHÜTER

Norbert K. (48) ist Polizist und bewacht in dieser Woche von 14 bis 20 Uhr den Bundestag „wegen erhöhter Sicherheitslage“. Eine halbe Stunde muss er mit zwei Kollegen Wache stehen, dann wird gewechselt. Zwischendurch kann er sich im Auto mit dem Wasserkocher Tee und Kaffee aufbrühen. „Bei so einem Wetter ist keiner gerne draußen. Selbst durch die beste Kleidung kraucht da die Kälte und eine Minuten fühlt sich an wie zehn“ – trotz Bekleidung nach dem Zwiebelprinzip: Lange Unterhose, Mütze, Taschenwärmer und selbst gemachte Thermo- Einlegesohlen, die er sich aus einer aluminiumbeschichteten Dämmtapete zugeschnitten hat. Die Zeit verkürzen ihm tagsüber Gespräche mit Touristen. „Die kommen und fragen viel“. Nur der Nachtdienst sei manchmal hart, denn „zur Kälte kommt dann die Müdigkeit“.

DER WEGWEISER

Sigmund Leib (56) weist als Fahrgastbetreuer am Hauptbahnhof Touristen den Weg durch den Nahverkehr. Mit der Kälte kommt er klar, nur der schneidende Wind macht ihm mitunter zu schaffen. Drei Winter hat er schon als Fahrgastbetreuer durchgehalten. Die Arbeit gefalle ihm, sagt er, denn „jeder, dem man weiterhilft, freut und bedankt sich.“ Über sein Handy hört er Radio und gibt aktuelle Informationen weiter. Unangenehm werde es nur, wenn sich frustrierte Fahrgäste bei ihm über die BVG oder die Bahn beschweren und ihn persönlich verantwortlich machen. „Aber dann sage ich mir: Bald kommt der nächste, und der freut sich wieder, wenn ihm geholfen wird.“

DER WEIHNACHTSBOTE

Nico Hausstein (24) kämpft sich mit seinem Fahrrad durch den Schnee der Schönhauser Allee. Der Postbote beginnt seinen Tag um 7 Uhr, um die Briefe eines privaten Postdienstleisters für seine Tour zu sortieren. Um 9.30 Uhr hievt er seine prall gefüllten Taschen – die große wiegt 20 Kilo, die beiden kleineren je 15 Kilo –, auf sein grünes Rad. In der Schultertasche rasseln sieben Schlüsselbunde. In Union-Schal, Mütze und Handschuhen startet er seine Tour vom Gleimtunnel über die Schönhauser Allee hinunter zur Eberswalder Straße und wieder zurück bis zum Jahnsportplatz, „einmal im Kreis durch Prenzlauer Berg“. Die körperliche Anstrengung halte warm, sagt er. Bei manchen Firmenkunden werde er mit Tee und Gebäck versorgt – auch einen Weihnachtskalender bekam er geschenkt. Schnee und Glätte, versichert Hausstein, machen ihm nichts aus. Obwohl er schon viermal gestürzt sei. „Wenn gar nichts mehr geht, muss man eben schieben.“

DER CHAUFFEUR

Radouane Hatmi (37), fährt Behinderte und Senioren durch die Stadt. Um 6.30 Uhr holt er die ersten Jugendlichen von zu Hause ab und bringt sie in die Behindertenwerkstatt. Danach, gegen 10 Uhr, kutschiert er Rentner zu Tagesstätten. Er hilft, wenn nötig, beim Anziehen und begleitet jeden einzelnen von der Haustür bis zum Auto. Die paar Meter seien mitunter das härteste Stück Arbeit. „Mit dem Rollstuhl muss man sich richtig durchkämpfen.“ Für Notfälle hat er Eimer, Schaufel und Kies im Auto. Radouane Hatmi arbeitet seit zehn Jahren als Fahrer, inzwischen mit eigenem Transportdienst. Ein Traumjob, wie er sagt. Und wenn er seine Mitfahrer abends nach Hause bringt, dann darf es auch mal länger dauern. Überstunden zu schieben „ist selbstverständlich“, sagt er.

Jenny Zeidler

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