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Berlin: Herr Moses ist wieder da

Der Autor Heinz Knobloch wäre heute 80. Sein bekanntestes Buch erscheint neu

Der Joseph Schwejk, dieser brave Soldat, der war ihm „Vorfahre und Vorbild“ zugleich. Einer, der Druck und Repression, zumal von staatlicher Seite, mit List und Witz begegnet und unterläuft. In seinem bekanntesten Buch „Herr Moses in Berlin“, über den jüdischen Aufklärer, Philosoph und Schriftsteller Moses Mendelssohn, 1979 in Ost-Berlin erschienen, hat Heinz Knobloch das Geschick Schwejks selbst mustergültig bewiesen. Ein Zitat über Zensur, vom DDR-Leser womöglich nicht nur historisch zu verstehen, sei auf Wunsch der Obrigkeit zu eliminieren? Bitte sehr, kein Problem. Aber rund 100 Seiten später baute Knobloch es wieder ein. Keinem Zensor fiel das mehr auf.

Heute wäre Knobloch, der am 24. Juli 2003 in Berlin starb, 80 Jahre alt geworden – Anlass für den Jaron Verlag, „Herrn Moses“ neu herauszubringen. Seit den späten 90ern hatte Knobloch mit dem Verlag zusammengearbeitet, dort zwei neue und einige ältere Werke in überarbeiteter Form herausgebracht. Kurz vor seinem Tod habe Knobloch ihm das Versprechen abgenommen, „sein Werk zu pflegen und insbesondere für eine Neuausgabe von ,Herrn Moses‘ zu sorgen“, berichtet Verleger Norbert Jaron.

„Herr Moses in Berlin“, ursprünglich im Buchverlag Der Morgen erschienen, hat schon mehrere Neuauflagen. Mit der letzten von 1993 war Knobloch laut Jaron „höchst unglücklich“, da sie weitgehend ohne sein Zutun erschienen und voller Fehler sei. Detaillierte Anmerkungen zu der Version machte der Autor aber nicht, so dass der Jaron Verlag auf den Vergleich mit einer früheren, autorisierten Ausgabe angewiesen war.

Wenngleich man Knobloch vor allem mit Berlin in Verbindung bringt – geboren wurde er doch in Dresden. Aber 1935 wurde er Berliner, ging hier zur Schule, begann eine Lehre als Verlagskaufmann, bis er 17-jährig zur Wehrmacht eingezogen wurde. Nach der Kriegsgefangenschaft studierte er Journalistik, trat 1953 in die Redaktion der „Wochenpost“ein. Von 1968 bis 1988 schrieb er dort die ständige Feuilletonkolumne „Mit beiden Augen“, die rund 1000 Mal erschien. Knoblochs besondere Stärke lag in seinen literarischen Biografien, sei es über Moses Mendelssohn, über Mathilde Jacob, die Sekretärin und Freundin von Rosa Luxemburg („Meine liebste Mathilde“), oder Wilhelm Krützfeld, den Polizisten, der während der Pogromnacht 1938 das Niederbrennen der Neuen Synagoge verhinderte („Der beherzte Reviervorsteher“).

Das Mendelssohn-Buch wie auch das über Mathilde Jacob wurden ebenfalls im Westen veröffentlicht, dennoch blieb Knobloch dort weitgehend unbekannt. Das änderte sich, als er im Januar 1990 zum Präsidenten des PEN-Zentrums der DDR gewählt wurde. Dieses wollte er als „unabhängigen, überparteilichen Zusammenschluss von Autoren“ weiterführen, doch bald trat er wieder zurück. Er sei „nicht der Politiker, den dieses Amt wohl braucht“, so Knobloch.

Politisch war sein Werk dennoch, gerade auch sein Buch über Moses Mendelssohn. Ein jüdischer Aufklärer des 18. Jahrhunderts, das war zwar kein verbotenes Terrain, aber auch kein Thema, das der SED sehr am Herzen lag. Amtlich habe es das Gedenken an Auschwitz gegeben, und in den Zeitungen sei nur vom „Aggressor Israel“ zu lesen gewesen, hatte Knobloch nachträglich resümiert. Dazwischen habe es nichts gegeben, „keine dreihundert Jahre jüdischer Kultur in Berlin“. Eine „Geschichtelücke“, die er mit seiner Biografie ein wenig schließen konnte.

Herr Moses in Berlin, Auf den Spuren eines Menschenfreundes. Jaron Verlag, Berlin. 379 Seiten, 19,90 Euro

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