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Rose

© Doris Spiekermann-Klaas

Hertha BSC: Das Zweitliga-Bibbern

Nicht nur die Hertha-Fans fürchten den Abstieg. Denn vom Klassenerhalt hängen viele Jobs ab.

Klaus Wöhner ist Verkaufsleiter bei Haribo und Fan bei Hertha. Ein Dauerkartenbesitzer. Wenn Heimspiel ist, isst Wöhner erst eine Currywurst bei Claudia Rose im Olympia-Imbiss, dann geht er ins Stadion und hofft. Diesen Sonnabend geht es gegen Nürnberg, das, so heißt es, alles entscheidende Spiel.

Wenn Hertha verliert, ist der Abstieg kaum noch aufzuhalten. Und dann? Wöhner ist Fan der alten Schule, also leidensfähig. Aber was bedeutet es für das Stadion, die Caterer, die Hostessen, das gesamte Umfeld?

Wöhner kann sich an ein Spiel 1994 erinnern. Den Gegner von Hertha, damals Zweite Liga, hat er vergessen, aber die Zahl der Zuschauer weiß er noch: 2947. Gegen Nürnberg werden 60 000 erwartet.

Claudia Rose ist um ihren Imbiss nicht bange. Die Stammgäste, Handwerker und Hertha-Fans, kommen auch unter der Woche, aber „ganz schön traurig“ wäre es schon, so ohne die Heerscharen von Fans auf dem Weg zur nächsten Abreibung. Nach dem Spiel laufen die meisten allerdings gleich zur S-Bahn und sind weg. „So richtig partymäßig ist es schon länger nicht mehr.“

Auch die fußballbelesenen Frauen in der Gärtnerei Haase an der Trakehner Allee wünschen Hertha den Klassenerhalt, obwohl weder Fans noch Spieler Blumen bei ihnen kaufen. Es gebe natürlich auch Vorteile. „Vielleicht werfen sie dann weniger Flaschen über den Zaun“, brummelt Birgitt Buchwald, ohne von ihrem Computer aufzublicken. Mareike, die Tochter vom Chef, will sich das Schicksalsspiel auf jeden Fall anschauen.

Die Hertha-Offiziellen denken weiter unverdrossen positiv. Zweite Liga? „Da reden wir nicht drüber“, sagt Hertha-Sprecher Gerd Graus. Die 55 Mitarbeiter der Geschäftsstelle sollen eine Zusage haben, dass sie bleiben können. Stadionchef Peter von Löbbecke nimmt zwar das Wort Abstieg in den Mund, setzt aber jedes Mal hinzu, „was ich nicht glaube“. Und wenn doch: „Kann ja sein, dass es in der zweiten Liga mehr brummt als in der ersten.“ Das meint er durchaus ernst.

Für seine 18 Mann, die das Stadion organisieren, hat von Löbbecke immer genug Arbeit. Der Mietvertrag mit Hertha gilt bis 2017, und wenn statt 60 000 nur 6000 kommen, muss der Betrieb ja genauso reibungslos funktionieren. Gerüchte, Hertha steige aus dem Vertrag aus und suche sich ein billigeres Stadion, hält von Löbbecke für abwegig. „Da müsste Hertha schon bei Union unterschlüpfen.“ Die haben immerhin eine Rasenheizung.

Thomas Lengfelder, Fußballfan und Chef des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands, befürchtet „erhebliche Einbußen“ für sein Gewerbe, wenn Hertha es nicht packt. Für kleine Eckkneipen lohne sich das Sky-Abo womöglich gar nicht mehr. Holger Lunau von der Industrie- und Handelskammer spricht von einem schwer berechenbaren Imageverlust.

Die „Stadion-Terrassen“ am Südtor werden vor allem vor und nach den Spielen von den Fans belagert. In den sechs Jahren, die das Restaurant existiert, war Hertha immer erstklassig. „Da muss man sich erst mal hinsetzen und drüber nachdenken“, sagt Service-Leiterin Katrin Winn. Im Haus bekommen benachteiligte Jugendliche eine Ausbildung, finanziert vom Jobcenter. Bisher waren die Spieltage die wichtigste Umsatzquelle. Aber es gibt ja noch die SPD. „Die machen regelmäßig Terrassenfeste im Biergarten.“

Und wie findet ein Holländer den hypothetischen Hertha-Absturz? „Perfekt“, singt zufrieden Godfried Selen, Chef des Pflanzenmarktes „Holländer“ am Olympiastadion. Die Fans blockieren an Heimspielsamstagen seinen Kundenparkplatz, dafür müsse er dann noch eine zusätzliche Pacht von rund 500 Euro bezahlen. Überdies sperrt die Polizei die Trakehner Allee und damit seine Zufahrt. Ohne Hertha in der ersten Bundesliga kann es für Selen nur besser werden. Ein Holland-Berliner darf so denken.

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