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Vor dem Spiel. Karten gab es auch gestern im Hertha-Shop im Europa-Center zu kaufen – nicht mehr allerdings das Billigangebot von zwei Tickets für zehn Euro.

© Thilo Rückeis

Hertha BSC vor dem Aufstieg: Berlin macht blau

Am Sonntag kann Hertha BSC in die Bundesliga aufsteigen. Nachzügler kauften rasch noch Tickets, und vor dem Stadion wurde geputzt. Und Hertha-Fans sind nicht die einzigen, die Grund zum Feiern haben könnten.

So geht es natürlich auch: Kommt ein Vater mit Tochter an einem Plakat vorbei, liest „Hertha BSC gegen SV Sandhausen“ an diesem Sonntag im Olympiastadion, fragt seine Kleine: „Wollen wir hin?“, sie nickt heftig – und schon verschwinden die beiden im Hertha-Shop im Europa-Center, reihen sich ein in die Schlange im Untergeschoss, dort gibt es noch Tickets. Es ist zwar keine Riesenschlange, die sich am Samstagnachmittag durch den Kellerraum windet, aber sie wird auch nicht kürzer, wächst hinten unentwegt nach. Ein knappes Dutzend Fußballfreunde ist sie lang, allesamt Nachzügler, die sich, da es mit dem Aufstieg der Mannschaft in die Bundesliga vielleicht heute schon klappt, schnell noch den Eintritt zum Spiel sichern wollen. Leute wie Marcus Christiansen etwa, der gleich zu schwärmen beginnt, dass solch ein Spiel im Stadion zu erleben doch was anderes sei als zu Hause vor dem Fernseher.

Die meisten Tickets sind natürlich längst verkauft, was auch teilweise an den Dumpingpreisen gelegen haben könnte. Ein Paar aus Bonn schlägt zu und kauft sich schnell noch Fähnchen („Für Freunde“) und einen aktuellen Schal („Für uns“) dazu. Vor zehn Jahren waren sie noch Berliner, Hertha-Fans sind sie geblieben, und da ihre Berlinvisite nun gerade auf ein Heimspiel fällt, ist die Aufstiegsparty irgendwie Pflicht.

Ja, im Fanshop ist schon freudige Erregung zu spüren, zumindest unten in der Schlange. Ums Stadion herum dagegen geht es zu dieser Stunde noch gelassen zu. Die Stimmung? „Normal“ – so sieht das die Verkäuferin in dem einzigen am späten Vormittag offenen Imbiss am Olympischen Platz. Klar sei sie Fan, steht ja auch groß „Wir Herthaner“ über der Theke, aber wenn man wie sie arbeite, habe man nicht viel vom Spiel.

Stefan Penski und Kevin Wegener dagegen müssen bei Spielbeginn mit ihrer Arbeit längst fertig sein, stärken sich noch schnell fürs Aufstellen der Bierbänke vor „Schultheiss am Olympiastadion“ mit Bouletten und Pommes. Penski ist unsicher, was er vom Spiel erwarten soll. Hertha habe schon oft scheinbar sichere Punkte vergeigt – andererseits dann auch schon mal die Bayern besiegt.

Im Wäldchen zwischen U-Bahnhof und Olympischem Platz ist ein beeindruckender Haufen blauer Plastiksäcke zusammengekommen. Sie sind prall gefüllt mit Müll – Spuren der Besucher längst vergangener Spiele –, dazu ein Fahrradwrack, ein Autoreifen, eine Baustellenabsperrung, Reste eines Regals – erstaunlich, was die Leute hier zurücklassen.

Gegen elf war ein Putzkommando in Blau, Rot und Orange ausgeschwärmt, blau Herthas U-14-Mannschaft samt Maskottchen Herthino, rot die Hertha-Volunteers, orange die SPD Neu-Westend, die die Aktion angeregt hatte. Eigentlich schon für März, da lag Schnee, und genau genommen schon für den vergangenen Herbst, aber da wütete der Eichenprozessionsspinner – so weiß es SPD-Frau Christiane Timper zu berichten, bevor sie mit der rechten Hand neuen Müll in ihren Plastiksack stopft. Links wäre ungünstig, nur für eine Seite hat sie einen Handschuh abbekommen.

Der Ku'damm wird sich mit feiernden Fans füllen

Die Müllsammler am Olympiastadion hatten Spaß, darunter Zecke Neuendorf (mitte).
Die Müllsammler am Olympiastadion hatten Spaß, darunter Zecke Neuendorf (mitte).

© Thilo Rückeis

So sehr sich die U-14-Jungs über den absehbaren Aufstieg freuen: Sie selbst werden das Spiel nicht miterleben. „Wir spielen am Sonntag gegen die Reinickendorfer Füchse“, erzählt der 14-jährige Oscar, der mit seinen Mannschaftskollegen Niko, Julius und Dennis misstrauisch ein weißes watteartiges Gespinst beäugt. Der Prozessionsspinner? Und auch Zecke Neuendorf, der mit Pál Dárdai das Hertha-Müllteam verstärkt, schiebt eine dicke weiße Flocke lieber zur Seite, sicher ist sicher.

Der „schönste Flecken Berlins“, das ist für Zecke das Olympiastadion, und da habe er sich schon oft gedacht, wie dreckig der Weg dorthin doch sei. „Aber vielleicht schaffen wir es ja mit unserer Aktion, dass die Leute bewusster werden und den Müll nicht mehr einfach hinwerfen.“ Und das Spiel am Sonntag? Das kann auch er nicht sehen, er ist mit der U-23-Mannschaft in Cottbus.

Die Polizei dagegen darf dabei sein, muss es sogar. Sollte Hertha aufsteigen, wird sich der Ku’damm wieder mit feiernden Fans füllen. Beim Aufstieg vor zwei Jahren hupten abends hier Hunderte um die Wette. Auch heute wird die Polizei „lageangepasst“ handeln: Sind die Fahrbahnen frei, dürfen Anhänger hupend und fahnenschwingend auf Ku’damm und Tauentzien hin- und herfahren. Sollten aber zu Fuß feiernde Fans auf die Fahrbahn drängen, wird die Straße gesperrt. Aus Erfahrung weiß die Polizei, dass es zuerst an der Ecke Joachimstaler eng wird.

Eng kann es auch im Friedrichshain werden. Denn eine zweite Jubelfeier steht heute möglicherweise an: die zur Meisterschaft der Eisbären, die in ihrer Großarena gegen Köln spielen. „Eigentlich halten wir uns mit Aussagen über eventuelle Feiern zurück, weil wir ja noch nicht gewonnen haben“, sagt Fankoordinator Robbi Haschker. „Werden die Eisbären aber Meister, wird es Bambule in der Halle geben.“ Die Eisbären hätten einiges vorbereitet, von Freibier bis Feuerwerk. Später werde es wohl eine große Party in den „Fanbögen“ an der Bahntrasse unweit der O2-World geben. Die weiteren Feiern samt Autokorso seien erst für kommende Woche geplant. So lange wollen die Hertha-Fans nicht warten.

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