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Sieht aus wie neu.

© ddp

Berlin: Hertha will die Hertha entern

Im Jubiläumsjahr 2012 möchte der Klub sein Gründungsschiff nach Berlin holen. Noch schippert es blau-weiß durch Brandenburg

Wusterhausen - Unruhig zerrt die „Hertha“ an den Seilen, doch sie kommt nicht voran. Sie liegt vertäut in diesem großen Bootsschuppen am Rand von Wusterhausen. Weit käme sie ja eh nicht: die Kyritzer Seenkette im nordwestlichen Brandenburg besitzt keine Verbindung zu einem Fluss oder gar zum Meer.

Und doch könnte dem Schiff bald eine spezielle Reise bevorstehen, eine zurück in die Vergangenheit, nach Berlin. Denn die „Hertha“ trägt ihren Namen nicht ohne Grund, es ist das Gründungsschiff von Hertha BSC. Und weil der Klub im kommenden Sommer 120 Jahre alt wird, soll das entsprechend gefeiert werden: Hertha will den Dampfer zurück auf die Spree holen. „Wir hätten schon Interesse an diesem Schiff“, sagt Herthas Aufsichtsratschef Bernd Schiphorst, der mit dem Finanzchef Ingo Schiller neulich in der Bootshalle von Wusterhausen vorbeigeschaut hat. Es müsse geprüft werden, ob der Dampfer in Berlin überhaupt fahren dürfe. Das Schiff könnte natürlich auch ein übergroßes Exponat fürs Vereinsmuseum sein. Schiphorst will sich Zeit lassen, er sagt: „Wir haben keine Eile, um uns mit dem Eigentümer zu einigen.“

Der Eigentümer heißt Peter Dentler, der auch Bauunternehmer ist. Er kennt die Geschichte des Klubs genau: Ein gewisser Fritz Lindner, der mit seinem Bruder Max und den Brüdern Otto und Willi Lorenz 1892 den Verein gegründet hatte, erinnerte sich damals an eine offenbar eindrucksvolle Dampferfahrt auf der Spree und der Havel. Laut Überlieferung soll am Schiff der Name „Hertha“ und am Schornstein ein Stern in blau, weiß und gelb geprangt haben. Fritz Lindner hatte die Idee, beide Dinge zu übernehmen und stieß dabei auf Anhieb auf Zustimmung. Der Name und die ersten Farben für den neuen Klub waren gefunden, später verschwand das Gelb, irgendwo im Kiez von Prenzlauer Berg, Wedding, Mitte – vermutlich am Arkonaplatz – wurde der Verein gegründet.

120 Jahre später erfolgt nun ein neuer Vorstoß, das Schiff zurück nach Berlin zu holen, denn schon vor zehn Jahren waren die Hertha-Chefs in Wusterhausen. „Damals hatte unser Familienrat den Wunsch der Berliner abgelehnt“, erinnert sich Peter Dentler, 74, der auf Hertha nicht immer gut zu sprechen ist, er fühlt sich als Zocker dargestellt. Vor zehn Jahren, sagt er, war „die ‚Hertha’ einfach für unsere Fahrgastschifffahrt unersetzlich, weil wir mit der ‚Neptun’ dann nur noch ein Schiff gehabt hätten“. Heute, so sagt er, sei er nicht nur ein Jahrzehnt älter. Auch andere Dinge hätten sich geändert. „Unser Bauunternehmen ist erheblich gewachsen und zählt inzwischen 50 Beschäftigte, die in ganz Deutschland und darüber hinaus im Einsatz sind.“

Sein 51-jähriger Sohn, der mal die Schifffahrt übernehmen wollte, sei in der Geschäftsführung voll eingespannt und habe nun keine Zeit mehr für die Kapitänsrolle bei Fahrten über die Seenkette.

Im Bootshaus liegt der Dampfer, 23 Meter ist er lang und fünf Meter breit. Im April 1886 war das Boot von der Werft in Stettin ausgelaufen. Just an dem Tag feierte die Tochter des Reeders Zwerner ihren zwölften Geburtstag. Das Schiff erhielt deren Namen – „Hertha“. Drei Jahre später fuhr es auf Havel, Spree und Wannsee, ehe 1947 der alte Name durch den Kampfesgruß der Jungen Pioniere „Seid bereit“ ersetzt wurde. Die Weiße Flotte in Ost-Berlin wollte es so. 1969 war das Schiff reif für die Schrottpresse. Durch Zufall erfuhren die Dentlers in Wusterhausen vom alten Dampfer. Sie holten ihn auf dem Landweg an die Dosse, möbelten den Oldtimer wieder auf und schickten ihn als „Seebär“ über die Seenkette.

Wahrscheinlich wäre es dabei geblieben, wenn nicht 1976 die Frau des West-Berliner Schiffshistorikers Kurt Groggert bei einem Besuch in der DDR ein Foto vom „Seebär“ gemacht hätte. Der Fachmann blätterte in seinem Archiv und erkannte die alte „Hertha“. Seine Entdeckung teilte er sowohl Peter Dentler als auch dem Klub mit. Doch erst nach dem Mauerfall gab es die ersten Kontakte zwischen dem Verein und dem Schiffseigner. Zum 100. Geburtstag von Hertha 1992 stieg eine große Feier von Hertha-Fans auch in Wusterhausen. Zehn Jahre später wurde der Dampfer wieder auf den alten Namen „Hertha“ getauft. Und weitere zehn Jahre später könnte die Hertha nun wieder durch Herthas Heimat schippern.

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