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Hertie-Studie: Kleines Glück, große Sorgen

Trotz vieler positiver Ergebnisse zeigt die Hertie-Studie auch: Viele Eltern schwärmen nicht für Berlin. Besonders schlecht schätzen Alleinerziehende ihre Lage ein.

Die Berliner lieben ihre Stadt – und sie raten anderen gern dazu, hierherzuziehen. Für Familien ist die Metropole allerdings kein gutes Pflaster. Dies zählt angesichts des Babybooms etwa in dem Szene-Quartier Prenzlauer Berg zu den Überraschungen der neuen Hertie-Studie über Berlin.

Bei den Befragungen von rund 2000 Berlinern, die den Forschern zufolge einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellen, sagt nur jeder zweite, dass er Kinder braucht, um glücklich zu sein. Und mehr noch: Viele Menschen mit Kindern fühlen sich in der Stadt unwohl. Besonders schlecht schätzen Alleinerziehende ihre Lage ein; mehr als die Hälfte von ihnen bezeichnen sich der Studie zufolge sogar als „gesellschaftlich benachteiligt“.

Die Forscher erklären dies mit der schwierigen Lage der Alleinerziehenden, die sich auch auf ihr „Bild von Berlin“ niederschlägt. Dieses sei „besonders von sozialen und wirtschaftlichen Problemen bestimmt“, heißt es. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der vor wenigen Monaten veröffentlichten bundesweiten Armutsstudie. Danach tragen Familien mit Kindern ein besonders großes Risiko, zu verarmen. Die größte Gefahr, finanziell und sozial abzurutschen, haben Alleinerziehende. Den Forschern der Hertie-Studie zufolge sind die Single-Haushalte in der Stadt klar in der Mehrheit. Ein Drittel der Berliner lebt allein.

Sind die Ergebnisse der Hertie-Studie angesichts der Befragung von „nur“ 2000 Berlinern aber wirklich repräsentativ? Schwierig wird es bei Aussagen über kleinere Gruppen. Hier liegt aus Sicht des Soziologen Hartmut Häußermann, ebenfalls an der Studie beteiligt, eine Schwäche des hier gewählten Ansatzes.

Dadurch verliere man zum Beispiel die Abkoppelung und Polarisierung sozialer Gruppen in der Stadt aus dem Blickfeld. „Die Verdrängung von Teilen der Bevölkerung aus der Mitte und ihre Konzentration in Großsiedlungen oder auch in den Stadtteilen Wedding und Neukölln ist aber ein wachsendes Problem“, sagt Häußermann. Das sei durchaus wörtlich zu nehmen: Das Problem wachse mit dem dort lebenden Nachwuchs – denn viele Haushalte mit bildungsfernen, oft arbeitslosen Berlinern sei reich an Kindern. Durch die Konzentration der Heranwachsenden in einem Milieu, „wo fast niemand arbeitet und dies auch nicht als erstrebenswert erachtet, verfestigt sich das Problem“, sagt Häußermann.

Zumal das Niveau des Unterrichts in den Schulen aufgrund des bildungsfernen Hintergrunds der Kinder deutlich unterhalb des Berliner Durchschnitts liege. Deshalb droht die Hartz-IV-Karriere zum Erbe ganzer Stadtquartiere zu werden – und sich wegen des Kinderreichtums dieser Milieus in einigen Jahren zum gesamtgesellschaftlichen Problem auszuwachsen.

Dennoch sagt auch Häußermann: „Es ist schön, dass die Stimmung trotz Arbeitslosigkeit und sozialer Bedürftigkeit in ganzen Gebieten nicht in subjektives Elend umkippt“. Der Berlin-Experte unter den Soziologen warnt aber auch: „Diese Studie fasst Meinungen und Stimmungen zusammen.“ Und diese seien noch vor der Finanzkrise eingefangen worden. Wenn die Rezession sich aber erst auf den Arbeitsmarkt niederschlage, könne die Stimmung ganz schnell wieder umkippen.

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