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Berlin: Heuschrecken vorm Haus

Mieterorganisationen sehen großen Spielraum für Preiserhöhungen – vor allem für Finanzinvestoren

Zwei wohlbeleibte Herrn standen gestern Vormittag vorm Dienstgebäude der Bausenatorin. Sie stellten sich als die Brüder „H. Schrecke“ vor und trugen dicke Zigarren in der Brusttasche und einen Geldkoffer, auf dem Zettel mit Namen wie Oaktree, Apellas oder Cerberus standen, Sie wollten damit der Senatorin für den „Vermieterspiegel“ danken, hieß es.

Der Auftritt war das ironisches Vorspiel für die Präsentation des Mietspiegels durch Senatorin Ingeborg Junge-Reyer wenige Minuten später. Ausdruck des Missbehagens, dass die Mieterorganisationen äußern. Der Streit um die Breite der Spannen, die um die registrierten Miet-Mittelwerte herum für Erhöhungen genutzt werden dürfen, war noch nie so heftig wie in diesem Jahr. Der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, ist sicher, dass eine „falsche Weichenstellung“ zu Preiserhöhungen geführt hat, die nun im aktuellen Mietspiegel sichtbar werden. Die Mieterorganisationen kritisieren, dass die Spanne vier Fünftel aller ermittelten Werte umfasst und nicht lediglich zwei Drittel. So ergebe sich trotz weiterhin hohen Wohnungsleerstands für Vermieter ein zusätzlicher Erhöhungsspielraum und ein kräftiger Mietanstieg, und dieser Trend sei auch auf den „regen Wohnungshandel“ in der Stadt zurückzuführen.

Die Senatorin betont, dass der Mietspiegel mit seinen Spannbreiten nach „anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt“ wurde und als rechtssichere Aussage über die Höhe ortsüblicher Vergleichsmieten als „maßgebliche Erkenntnisquelle“ anerkannt ist. Auch habe man das 2003 und 2005 praktizierte System der Spannen-Einordnung nicht ändern wollen. Der aktuelle Mietspiegel sei eine Weiterführung des vorherigen.

Die Mieterorganisationen hatten aus Protest in der vergangenen Woche ihren Ausstieg aus dem Mietspiegel-Arbeitskreis bekannt gegeben.Sie haben das Zahlenwerk deshalb auch nicht unterschrieben. Die rot-rote Landesregierung, sagen sie, besorge das Geschäft der „Heuschrecken“, der Finanzinvestoren, die nur die schnelle Rendite ihrer Wohnungsbestände wollten. In den letzten zehn Jahren seien 150 000 Berliner Wohnungen an diese „Heuschrecken“ verkauft worden. Und um daran zu erinnern, standen die Brüder „H. Schrecke“ vorm Haus der Senatsverwaltung. Sie seien nicht von irgendeiner Organisation, sondern privat hier, als ganz normale Mieter. Nur ihre Wohnung, sagen sie, sei gerade aus Bundeseigentum an einen Investor verkauft worden. Und angesichts des Mietspiegels und seiner Möglichkeiten bereite ihnen das große Sorge. C. v. L.

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