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Berlin: Hier darf sich die Nostalgie im Kreise drehen

Bislang ist der Abend hier eher ruhig verlaufen." So lautete meist zuverlässig die Antwort, wenn Konrad Tönz von Eduard Zimmermann befragt wurde, wie viele sachdienliche Hinweise denn bereits in seinem Züricher Studio eingegangen seien.

Bislang ist der Abend hier eher ruhig verlaufen." So lautete meist zuverlässig die Antwort, wenn Konrad Tönz von Eduard Zimmermann befragt wurde, wie viele sachdienliche Hinweise denn bereits in seinem Züricher Studio eingegangen seien. Konrad Tönz, das was der schmale Herr mit der dünnen Silberbrille, der den Schweizer Vorposten der TV-Fahndung "Aktenzeichen XY ungelöst" besetzt hielt und im Laufe seiner Dienstjahre mehr und mehr von der Holzvertäfelung in seinem Rücken verschluckt zu werden schien.

Eher ruhig verlaufen waren zuletzt auch die Nächte im "Konrad Tönz", der nach dem Züricher Fernsehbeamten benannten Gaststätte unweit des Görlitzer Parks in Kreuzberg. Nach Anwohnerbeschwerden über Lärmbelästigung war das bezirkliche Wirtschaftsamt eingeschritten und hatte jene sogenannten Monoplattenspieler-Abende verboten, die die vormalige Eckkneipe immer wieder in einen Tempel der Retro-Kultur verwandelt hatten. DJs, die sich Tabledance-Toni, Sunny Adventure, Schmackos, Eismann, Tony Random & Jeanny oder Francesco Bhagavani & Funk 99 nannten, brachten ihre Plattensammlungen mit und spielten Hits und Nicht-Hits von vorgestern: "Brazil" von Percy Faith, "Pop Corn" von den Pop Corn Makers, "Mama Lou" von den Les Humphries Singers, auch mal "Mein erster Weg führt mich zu dir" von Udo Jürgens. Lustig war das, aber auch laut. Doch das letzte Jahr endete mit dem Einbau einer Lärmschutzdecke und der Visite eines amtlich anerkannten Lärmgutachters. Nunmehr befindet sich das Konrad Tönz im Besitz einer Lizenz für eine "Schankwirtschaft mit besonderer Betriebsart" und darf als solche regelmäßig zu "Musik-Aufführungen" laden. Von heute an wird sich die Nostalgie wieder im Kreise drehen: auf zwei Dual P 55-Plattenspielern aus den sechziger Jahren mit eingebauten Verstärkern und immerhin 6 Watt Ausgangsleistung.

Begrüßt wird der Besucher an der Tür des Konrad Tönz von einem Bild, das Nana Mouskouri im Arm von Hans-Joachim Kulenkampff zeigt. Auch drinnen sieht es dann so aus, als ob schon alles für einen gemütlichen Fernsehabend vorbereitet sei. Die Füße versinken im Flokatiteppich, die Bestuhlung ist schaumstoffweich, am Tresen gibt es Erdnüsse. Herb Alpert mit Trompete und James Last in Torero-Montur mustern von den mit grünlichen Op-Art-Tapeten beklebten Wänden die Gäste. Eine Geborgenheitshölle. Aber auch eine Höhle. Vielleicht sogar die Höhle, von der Platon schreibt, dass in ihr verlorene Seelen gefangen seien, "von Kindheit an gefesselt an Hals und Schenkeln, so dass sie den Kopf aber herumzudrehen der Fessel wegen nicht vermögend sind. Licht aber haben sie von einem Feuer, welches von oben und von fernher hinter ihnen brennt".

Nur dass im Konrad Tönz das Licht nicht aus knisternden Scheiten, sondern aus den orangenen Schirmen geschwungener Stehlampen kommt. Am besten, man setzt sich in eines dieser Sofas, aus denen man sofort wieder hinausrutscht, und bestellt einen Cocktail, der "Aktenzeichen", "Bauernfänger" oder "Spätausgabe" heißt. Auf Rum-Basis lässt sich am schönsten von den goldenen siebziger Jahren träumen, in denen die Welt noch in Ordnung war: weil in ihr nur Mama, Papa und Wim Thoelke vorkamen.Konrad Tönz, Falkensteinstraße 30 (Kreuzberg). Monoplattenspielerabende von Freitag bis Sonntag, 21 Uhr. Heute abend: Das Duale System mit Tabledance-Toni

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