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Berlin: „Hier sollte es mal richtig krachen“

Verdi-Mitglieder sind kampfbereit – sie rechnen nicht mit einer Einigung

Rosemarie Scholz ist seit elf Jahren in der Gewerkschaft und seit sechs Uhr auf den Beinen. 150 Kinder einer Integrations-Kita in Moabit hat sie mit Kartoffelsuppe, Putenwienern und Vanille-Pudding satt bekommen. Ein Knochenjob. Jetzt sitzt sie sichtlich geschlaucht mit ihren Kolleginnen im Aufenthaltsraum und zieht an einer „Pall-Mall“. Von den letzten Arbeitskämpfen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sei sie enttäuscht, sagt sie. „Viermal haben wir protestiert und es ist nichts passiert. Gar nichts.“ Und jetzt? „Jetzt kämpfen die da oben für die falschen Ziele“, klagt Scholz: „Wichtig sind nicht die drei Prozent Lohnzuwachs oder der Ost-West-Ausgleich. Wichtig ist für uns eine Arbeitsplatzgarantie.“ Monika Stasch, ihre Kollegin aus der Küche und ebenfalls Verdi-Mitglied, pflichtet bei.

Gabi Lips, stellvertretende Bezirksgeschäftsführerin der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft, ist sicher, dass die Streikbereitschaft der Basis an 90 Prozent heran- reicht. Und zwar für die Ziele, um die es den Verdi-Verhandlern geht: drei Prozent mehr Lohn und Gehalt, Angleichung der Tarife in Ost- und Westdeutschland. „Die Verärgerung an der Basis ist groß. Auf der Arbeitgeberseite hat sich nichts bewegt.“ Und: Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst seien in den vergangenen Jahren nicht eben mit Lohnzuwächsen verwöhnt worden.

In Berlin sind derzeit 164 000 Menschen bei Verdi organisiert, der Organisationsgrad liegt nach Angaben des Verdi-Bezirksgeschäftsführers Roland Tremper im Öffentlichen Dienst bei 60 bis 70 Prozent. Auch Tremper gibt sich kampfeslustig: „Die Arbeitgeber wollen weitere Kompensationen - und die werden wir ablehnen. Wir gehen davon aus, dass die Verhandlungen scheitern.“

„Geht’s am Mittwoch schief, dann sollte es hier mal richtig krachen. Dann stehen in Berlin die U-Bahnen still.“ Rainer Döring, Kraftfahrzeugschlosser bei der BVG, könnte mit dem Schlichtungsergebnis leben – 2,4 Prozent mehr Lohn und Gehalt rückwirkend zum 1. Januar und weitere 0,6 Prozent ab 1. Januar 2003 sowie Angleichung der Ost- und Westtarife bis 2007. Werde dies von den Arbeitgebern abgelehnt, könnte er den Arbeitskampf „notfalls über Wochen aushalten. Wir haben schließlich jahrelang still gehalten.“ Rund 78 Prozent der 13 000 BVG-Beschäftigten sind in der Gewerkschaft, 30 Prozent davon wohnen im Ostteil der Stadt.

Auch Christina Hübner, Schwester im Deutschen Herzzentrum, erwartet ein Scheitern der Schlichtung. Sie will notfalls mitstreiken für mehr Geld, „auch wenn es nicht die drei Prozent werden.“ Aber das andere, das, was in der öffentlichen Diskussion derzeit gar nicht thematisiert wird, das ist ihr genauso wichtig - „die Sicherung möglichst aller unserer Arbeitsplätze“. Da ist sie sich mit Rosemarie Scholz aus der Integrations-Kita in Moabit einig.

Heiko Wiegand

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