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Berlin: Hightech hinter Holzfassaden

In Marienfelde heizt das Umweltbundesamt seine Büros mit Grundwasser.

Büro ist, wenn die Heizung auf Stufe fünf steht und darüber das Fenster angekippt ist. Und wenn die öffentliche Hand baut, muss es billig werden und wird deshalb dann richtig teuer. Nicht wahr?

Nicht wahr, sofern es sich um das „Haus 2019“ des Umweltbundesamtes (UBA) in Marienfelde an der südlichen Stadtgrenze handelt, wo nebenan ein Traktor über die Wiesen tuckert und Wildgänse schnattern. Hier simulieren Wissenschaftler beispielsweise, wie sich Schadstoffe in Flüssen ausbreiten und in Fischen anreichern. Das dafür ohnehin geförderte Grundwasser liefert die Energie, um das gerade fertiggestellte Gebäude mit 30 Büros und zwei Konferenzräumen im Winter zu heizen und im Sommer zu kühlen. Man braucht nur eine Wärmepumpe, die nach dem Prinzip des Kühlschranks Druckunterschiede erzeugt. Und für die Wärmepumpe braucht man Strom, den man aus Solarzellen auf dem Dach gewinnt. Auf einem Gründach, dessen Kühle an heißen Sommertagen die Effizienz der Module erhöht. Das sowie eine hervorragende Dämmung sind die wesentlichen Zutaten dieses Gebäudes, in dessen Energieausweis der Markierungspfeil im dunkelgrünen Bereich steht: null Kilowattstunden Energiebedarf pro Quadratmeter und Jahr, null Kilo CO2-Ausstoß. Es ist der Standard, den die EU für öffentliche Neubauten ab 2019 vorschreiben will; daher „Haus 2019“. Die Nullen beziehen sich auf den Jahressaldo, denn im Sommer wird zusätzlicher Strom ins Netz gespeist, während im Winter die Solaranlage allein nicht ausreicht.

Was noch drinsteckt in den zwei Etagen hinter der Pappelholzfassade, zeigt Projektmanager Tilo Herzig in seinem Büro. Vor den Scheiben des dreifach isolierverglasten Fensters hängt eine Jalousie, die von einer vierten Scheibe ganz außen vor Schmutz geschützt wird.

Man kann das Fenster jederzeit öffnen, aber man sollte es zumindest im Winter nicht. Gelüftet wird nämlich über einen runden Metalldeckel im Eichenparkett, aus dessen Schlitzen ein kaum spürbarer Luftstrom zieht. Der zugehörige Entlüfter sitzt in der Wand über der Tür. Rechnerisch wird einmal pro Stunde die komplette Büroluft ausgetauscht. Ein schrankgroßer Wärmetauscher im Haustechnikraum sorgt dafür, dass die verbrauchte Luft ihre Wärme an die frische überträgt, bevor sie das Haus verlässt. Über eine Tastatur neben der Tür kann jeder seine Wunschtemperatur zwischen 18 und 24 Grad einstellen. Je nach Bedarf wird dann eine Wand kühler oder wärmer. Die große Heizfläche ermöglicht geringe Temperaturdifferenzen, was der Wärmepumpe die Arbeit erleichtert und sich auch besser anfühlt als ein glühender Heizkörper im kalten Raum oder der eisige Wind mancher stromfressender Klimaanlage im Sommer.

Dass ein solches Gebäude mit 4,7 Millionen Euro wohl etwas teurer ist als ein konventionelles, läuft zwar der auf kurzfristige Ersparnis ausgerichteten Logik der öffentlichen Haushalte zuwider. Doch in diesem Fall betrachteten die Behörden die Kosten über einen 50-jährigen Lebenszyklus – und stimmten dem Entwurf des Berliner Architekturbüros Braun-Kerbl-Löffler zu.

Eigentlich gibt es nur eine wirkliche Gefahr: Würde ein gedankenloser Kollege in einem der 30 Büros einen Nagel in die Wand und damit in die Hightech-Heizung schlagen, hätte er ein irreparables Leck verursacht. Aber das würden Mitarbeiter einer Umweltbehörde sicher ebenso wenig tun, wie die Heizung auf Stufe fünf zu drehen und das Fenster zu kippen. Stefan Jacobs

Besichtigung am 28. und 30.10. jeweils 15 Uhr, Schichauweg 58. Anmeldung per Mail notwendig: tilo.herzig@uba.de

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