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Adoptionsvermittler. Elias Perabo sammelt für den Protest in Syrien.

© Kai-Uwe Heinrich

Hilfe aus Berlin: Patenschaften für den friedlichen Widerstand

Vor einem Jahr begann der Protest gegen das Regime in Syrien. Ein Berliner Politikwissenschaftler organisiert die Aktion „Adopt a Revolution“.

Die Revolution in Syrien setzt sich aus vielen kleinen Puzzleteilen zusammen: Handys, SIM-Karten, Internetanschlüsse, Satellitentelefone, Geld für Telefonrechnungen, Drucker und Papier, Miete für geheime Zufluchtswohnungen. All das brauchen die so genannten „Komitees“, die im ganzen Land den friedlichen Widerstand organisieren: Demonstrationen gegen das Regime; die Versorgung der Verletzten und das Verstecken derjenigen, die bei den Protesten auf der Straße erkannt worden sind. Und die Aktivisten dokumentieren die Todeszahlen und die Taten des Regimes von Präsident Baschar al Assad– auf Facebook und Youtube.

Man könnte die Komitees auch Bürger- oder Nachbarschaftsinitiativen nennen. Studenten und Ärzte gehören dazu. Wie etwa in Al Midan, einem Mittelschichtsstadtteil von Damaskus. Dort stammt das Geld für viele der überlebenswichtigen Puzzleteile aus Deutschland: 2250 Euro Spenden haben sie gerade bekommen – über die Organisation „Adopt a Revolution“, die der Berliner Politikwissenschaftler Elias Perabo, 31, ins Leben gerufen hat. Sie funktioniert wie Spendenpatenschaften für Waisenkinder in Afrika. Nur dass der Spender ein Revolutionskomitee wie das in Al Midan „adoptiert“.

1300 Revolutionspaten haben seit Beginn des Jahres mehr als 100 000 Euro gespendet. „Eine Unterstützung von Bürgern für Bürger“, nennt Perabo das. Und betont noch einmal, dass es dabei ausschließlich um den unbewaffneten Widerstand geht: „Die Komitees sind Teil der jungen Demokratiebewegung.“ Alle vier bis sechs Wochen bekommen die Paten einen detaillierte Berichte „ihres“ Komitees.

Die Spenden werden über die Türkei oder den Libanon eingeschmuggelt. Die Initiative habe ein dreifaches System um zu kontrollieren, ob Geld und Material angekommen seien, sagt Perabo: Über die Komitees, die zwei großen Netzwerke des politischen Widerstands, in denen sie organisiert sind und über spezielle Vertrauensleute. „Die Komitees sind gut vernetzt. Sie wissen, wann an einem anderen Ort etwa Medikamente gebraucht werden. Die sammeln sie dann in verschiedenen Städten und schmuggeln sie in das entsprechende Untergrund-Lazarett“, sagt Perabo.

Er und seine vier Mitstreiter im Berliner Büro – zwei von ihnen sind Syrer – telefonieren regelmäßig über Skype mit den knapp 30 Komitees, die sie unterstützen. Die meisten sind in Städten, die das Assad-Regime kontrolliert. Immer wieder würden Ansprechpartner verschwinden, sagt Perabo. In Leipzig gibt es ein weiteres Büro von „Adopt a Revolution“. Den beiden Büroteams zur Seite steht ein Aufsichtsrat aus drei Deutschen und vier Syrern, der den Finanzbericht kontrolliert. Auch ein Vertreter der Hilfsorganisation Medico International ist dabei.

Für Perabo begann alles vor genau einem Jahr mit einer Reise durch Syrien. Eigentlich sollte es eine Auszeit sein. Doch dann kam die Revolution: Am 15. März 2011 fanden die ersten Proteste statt. Perabo lernte viele Syrer kennen, auch den bekannten „Cyber-Dissidenten“ und Blogger Rami Nakhle, der in den Libanon fliehen musste. Gemeinsam mit ihm dachte er sich in Beirut das Konzept zu „Adopt a Revolution“ aus: „Ich habe mich verantwortlich gefühlt, etwas zu unternehmen.“ Wie man erfolgreich Kampagnen macht, wusste er von seiner Arbeit für eine Klimaschutz-Organisation.

Spender müssten sich keine Sorgen machen, dass der syrische Geheimdienst ihnen in Deutschland nachstelle, sagt Perabo. „Wir achten darauf, dass alle Daten besonders gesichert sind.“ Auch Christian Springer versichert, dass bei seiner Hilfsorganisation keine Listen von Spendern zu finden sind. Der 47-jährige Münchner ist eigentlich Komiker und tritt oft im Berliner Kabarett Wühlmäuse auf. Aber seit 30 Jahren reist er immer wieder nach Syrien – und ist zurzeit ebenfalls damit beschäftigt, Syrern zu helfen. Am Dienstag hat er mit 20 Mitstreitern den Verein Orienthelfer gegründet.

Aber schon vorher hat er Medikamente zu syrischen Flüchtlingen gebracht, die es über die Grenze in den Libanon geschafft haben. „Rund 15 000 Syrer sind dort inzwischen angekommen“, sagt Springer. „Aber die libanesische Regierung leugnet das und unternimmt nichts. Da liegen Verletzte im Dreck und können nicht versorgt werden.“ Vor zwei Wochen ist er aus dem Wadi Khaled, einem Hochtal im Norden des Libanon, zurückgekommen, wo besonders viele Verletzte aus dem vom Assad-Regime zerstörten Viertel Baba Amr in der Stadt Homs eingetroffen sind. „Die meisten Flüchtlinge haben alles zurückgelassen. Wir versorgen sie mit dem Nötigsten.“ Bald will er wieder aufbrechen, dann nach Jordanien.

Infos für Paten und Spender: www.adoptrevolution.org sowie www.orienthelfer.de

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