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Caritas

© ddp

Hilfe für Obdachlose: Die radelnde Krankenschwester

Es ist ein in Deutschland einzigartiges Hilfsprojekt: Krankenschwester Gabriela Allgaier fährt mit ihrem Caritas-Fahrradmobil durch Berliner Parks, um Obdachlose mit Medikamenten zu versorgen.

Gabriela Allgaier hat den Obdachlosen abseits der Wege in einem Gebüsch im Berliner Tiergarten entdeckt. Er haust unter einem Zeltdach. "Brauchen Sie Medikamente, haben sie gesundheitliche Probleme", so fängt jedes Gespräch der 46-Jährigen an. Die gelernte Krankenschwester ist seit drei Monaten mit ihrem Fahrrad in hauptstädtischen Parks und entlang der Bahntrassen unterwegs, um auf der Straße lebenden Menschen zu helfen. "Die Idee zu der mobilen Obdachlosen-Sprechstunde vor Ort hatte ich schon längere Zeit", sagt die Berlinerin im leuchtend roten T-Shirt mit dem Caritas-Symbol und dem Aufdruck "Medical Streetworker". Das Projekt ist deutschlandweit einzigartig.

"Mit unserem bereits seit 1995 rollenden Arztbus sind wir ja auf die Straße angewiesen und kommen so nicht bis in die versteckten Ecken der Stadt." Das koste manchmal viel Zeit: "Erst zu Fuß durch den Park, den Patienten ansehen, zurück zum Bus, die notwendige Arznei holen oder das Überweisungspapier für einen Arzt-Besuch", erzählt Allgaier. Sie schätzt, dass in der Stadt 3000 bis 5000 Menschen ständig unter freiem Himmel leben.

Seit Mai tourt sie regelmäßig durch die Stadt

Deshalb blickt die zierliche Frau mit ihrem roten Fahrradhelm heute stolz auf ihr robustes Zweirad mit den prall gefüllten Seitentaschen. "Anfang des Jahres war noch etwas Spendengeld übrig, und ich konnte meinen Chef sofort von meiner Idee überzeugen", so Allgaier, die 15 Jahr lang in einem Altenheim tätig war, bevor sie 1999 zu der Hilfsorganisation des Erzbistums Berlin kam.

Seit Mai startet sie gemeinsam mit dem 23-jährigen Zivildienstleistenden Dominik Buse regelmäßig zu Touren quer durch die Stadt. "Die Leute sind meist dankbar für dieses Angebot, denn es gibt viele, die nicht zu unserem Bus kommen oder es nicht mehr schaffen", weiß die Krankenschwester. "Wenn wir jemand aufstöbern und ihm sagen, dass sein Bein oder der Arm nicht gut aussehen, dann lassen sich viele auch helfen."

Viele Frauen lehnen die Hilfe ab

Wenige Meter von der Straße des 17. Juni entfernt lebt Jaroslaw, ein alter Bekannter der Schwester. Der 40-Jährige, der vor Jahren aus Polen nach Deutschland kam und später nach eigenen Angaben wegen Schwarzarbeit den Job verloren hat, "wohnt" an einem der S-Bahn-Bögen bereits seit zwei Jahren. Die 46-Jährige erfährt bei ihrer Visite, dass er neuerdings epileptische Anfälle bekommt, und auch eine Salbe braucht. Allgaier gibt ihm eine Telefonnummer von einem Arzt, dort soll er sich behandeln lassen.

Die Hilfe kommt an. "Ich gehe auf alle Fälle hin", verspricht der Obdachlose, als sich die Caritas-Mitarbeiterin verabschiedet. Später erzählt die Krankenschwester, seine Freundin, eine Diabetikerin, habe sie lange überzeugen müssen, bis sie sich endlich in Behandlung begab.

"Doch es gibt auch Bedürftige, die lehnen den Kontakt mit dem Mobil prinzipiell ab", erklärt Allgaier. Vor allem unter den Frauen, die etwa 15 Prozent der Obdachlosen ausmachten, seien viele, die große psychische Probleme hätten und sich total abkapselten. "Wir können uns nur immer wieder anbieten", so die 46-Jährige.

Hilfsprojekt wird demnächst von anderen Städten aufgegriffen

Im vergangenen Jahr hat die Caritas 800 bis 900 Patienten auf der Straße medizinisch betreut. Insgesamt kamen rund 2500 Behandlungen zusammen, wie Allgaier sagt. Es könne in der Regel nur um eine Erstversorgung gehen: "Danach werden sie zu den Ärzten in unserem Bus-Mobil überwiesen, wo vor allem Wohnungslose betreut werden."

Dank des Fahrradmobils kann in diesem Jahr die Zahl der Betreuten noch zunehmen. "Wir wissen von Obdachlosen, dass in den Wäldern an der Havelchaussee auch einige in Zelten leben. Dort wollen wir in diesem Sommer noch vorbeischauen", kündigt die Schwester an. Im Herbst wird es mit ihren Touren wohl schwieriger: "Uns fehlt noch eine passende Regenbekleidung, bislang radeln wir deshalb nur bei trockenem Wetter."

Ihr Hilfsprojekt spricht sich herum. "Berliner rufen an und teilen uns mit, wo sich hilfsbedürftige Menschen in der Stadt aufhalten", so Allgaier. "Dann können wir gezielt nach ihnen schauen." Und ihre Sprechstunde per Fahrrad wird bald wohl auch in anderen Städten Deutschlands praktiziert. Die Berlinerin: "Hamburg, Frankfurt am Main, Lübeck oder Münster haben bei uns schon nachgefragt."

(Telefon: 39 04 74 30, mobil: 0172-307 39 85)

Wolfgang Schönwald[ddp]

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